Garnisonsstadt Bamberg – einst und auch heute wieder

Redaktion

Seit dem 16. Jahrhundert ist Bamberg Garnisonsstadt. Seitdem leidet die Bamberger Bevölkerung mehr unter diesem Zustand, als dass es sie erfreut. Nach dem verlorenen Weltkrieg zogen 1945 statt deutsche amerikanische Soldaten ein.

Christian Th. Müller beschreibt in seinem 2011 erschienen Buch „US-Truppen und Sowjetarmee in Deutschland. Erfahrungen, Beziehungen, Konflikte im Vergleich“ (Verlag Ferdinand Schöningh) das Verhältnis der US-Soldaten am Beispiel Bambergs. (Alle Zitate im folgenden sind mit Seitenangabe aus dem genannten Buch entnommen.) Neben Erläuterungen zum Besatzungsrecht im Lauf der Geschichte und einem Überblick über die Stationierung im geteilten Deutschland werden anhand von Beschreibungen einzelner Vorfälle die Situation in Bamberg erläutert.

„Jenseits der in der Bevölkerung vorhandenen, eingeschränkten oder nicht gegebenen Zustimmung zur Präsenz von Truppen der NATO-Verbündeten bzw. der Sowjetunion in Bundesrepublik und DDR, haftete auch der Truppenstationierung im jeweiligen Bündnis immer noch der Ruch von Besatzung an, stellten doch Stationierungsvorbehalt und Notstandsbefugnisse faktisch eine massive Einschränkung der Souveränität beider deutscher Staaten dar, die über das bei einer bloßen Truppenstationierung zu erwartende Maß deutlich hinausging.“ (S. 44)

Von offizieller Seite wird das Verhältnis zueinander in Bamberg als problemlos und positiv beschrieben. Die Bürgermeister aller Couleur betonen in der Nachkriegszeit die deutsch-amerikanische Freundschaft, Einheimische und Besatzer bagatellisieren regelmäßig Zwischenfälle: „Die offizielle Ebene war durch wechselseitige Einladungen von Kommandeuren und Stadthonoratioren aus Anlass der deutsch-amerikanischen Freundschaftswoche oder amerikanischer Feiertage gekennzeichnet, die vor allem den Zweck hatten, sich gegenseitig freundschaftlicher Beziehungen zu versichern und diese öffentlich zu demonstrieren. Probleme und Konfliktlagen wurden dabei – von wenigen Ausnahmen abgesehen – nicht thematisiert.“ (S. 223)

Nach Kriegsende 1945 benutzten US-Soldaten die bestehenden Kasernengebäude und bauten diese aus, lesen Sie hierzu auch die unten aufgeführten Beiträge aus der Vortragsreihe „Bamberg: Militär und Stadt“. Darüber hinaus wurden auch Gebäude und Liegenschaften durch die Besatzungsmacht beschlagnahmt: „In Bamberg waren davon 1953 169 Ein- und Mehrfamilienhäuser betroffen, deren Eigentümer sich im Verband der Besatzungsgeschädigten organisierten. Der Landesverband der Besatzungsgeschädigten mit seinem in Bamberg ansässigen Vorsitzenden Peter Reiser hatte bereits in seiner Resolution vom 26. September 1950 betont, dass die Fortdauer der Beschlagnahmung einer deutsch amerikanischen Annäherung im Weg stünde. Deutschland könne nicht Verbündeter der USA werden, solange es Menschen in Bayern gibt, die für die Präsenz von US Truppen gleichbedeutend ist mit der Austreibung aus ihrem Heim und Eigentum.“ (Seite 225)

Die US Soldaten führten ein von der Bamberger Bevölkerung weitgehend abgeschottetes Leben, deren oft seltsames Verhalten der offiziell beschworenen Freundschaft nicht entsprach und worüber die deutsche Nachbarschaft wenig erfreut sein konnte.

„Demgegenüber bildeten Umwelt- und vor allem Lärmbelastungen ein zum Teil über Jahrzehnte präsentes Konfliktpotenzial, das zudem geeignet war, Ressentiments gegenüber den fremden Soldaten zu nähren. In den fünfziger Jahren sorgte der leichtfertige Umgang mit Treibstoffen und Munition verschiedentlich für öffentliche Aufregung und sogar offizielle Proteste des Bamberger Stadtrates. Spektakuläres Beispiel war die wiederholte Einleitung von Benzin in die Kanalisation an der Pödeldorfer Straße im Kasernenviertel. Am 24. Januar 1951 kam es infolgedessen zu einer Kanalexplosion, bei der Kanaldeckel meterweit durch die Luft geschleudert und mehrere Personen verletzt wurden sowie die Kanalisation selbst erheblich beschädigt wurde. Die Einleitung von Kraftstoff wurde auch danach fortgesetzt.“ (Seite 236)

Protest bei der Militärverwaltung

Das war dann selbst dem Stadtrat zu viel und er protestierte bei der Militärverwaltung. Man zeigte sich betroffen und das war’s dann schon. „Bereits ein Jahr später im Januar 1952 wurde die Bamberger Feuerwehr erneut wegen starker Benzinausdünstungen des Kanalsystems alarmiert und kontrollierte über mehrere Tage das Kanalsystem. Aus Sicht der Lokalpresse war nicht nur die wiederholte Einleitung von Benzin, sondern vor allem das Verhalten der in den angrenzenden Kasernen untergebrachten US-Soldaten Anlass zu berechtigter Empörung. So wurden die Feuerwehrleute, die den Kanal kontrollierten, ,um schwere Gefahr von der Bevölkerung abzuhalten‘ aus den an die Wörthstraße grenzenden Kasernenblocks von Soldaten ,mit Coca-Cola und Bierflaschen beworfen. Außerdem wurden Feuerwerkskörper auf die Wehrleute heruntergeschmissen und die Männer dadurch in schwerste Lebensgefahr gebracht, weil in dem gasgefährdeten Kanal jeden Augenblick eine Explosion hervorgerufen werden konnte‘ … Schadensersatzansprüche der Stadt wurden 1952 zurückgewiesen, ,da eine Haftung seitens der US-Regierung nicht festgestellt werden konnte‘.“ (Seite 236–237)

Daneben gab es Probleme mit der Müllentsorgung – die US-Soldaten wollten ihren Müll nicht durch die deutsche Müllabfuhr abtransportieren lassen und verbrannten ihren Abfall in einer offenen Bodensenke im Hauptsmoorwald. Drehte sich der Wind, trieben die Rauchschwaden zum Teil mehrere Kilometer stadteinwärts.

Besonders Bewohner der Gartenstadt hatten mit Lärmproblemen zu kämpfen, hervorgerufen durch Dieselgeneratoren, die Tag und Nacht liefen.

Die Liste von, freundlich ausgedrückt, seltsamen Verhaltensweisen ließe sich noch länger fortsetzen. Das zitierte Buch von Christian Th. Müller beschreibt viele solcher Fälle. Anzumerken bleibt, dass auf Beschwerden von Bevölkerung und Stadtspitze weder die bayerische Staatskanzlei noch die zuständigen Bundesbehörden sich müßig sahen, für Abhilfe zu sorgen. Gespräche mit den Standortkommandeuren führten zwar zu Versprechen, die Situation zu beheben, aber schon am nächsten Tag war alles schon wieder wie vorher.

Ein Problemfeld, das während der gesamten Zeit der Anwesenheit von US Soldaten bestand, und das wohl als Ursache diverser Aggressionsausfälle gelten kann, war die Frustration der Soldaten über eine „mangelnde regelmäßige Triebabfuhr“. (Seite 231) Laut FT vom 13.7.1956 wurden immerhin 900 tätige Prostituierten in Bamberg gezählt, so war dem grassierenden „Dirnenunwesen“ schwer beizukommen. (Seite 255)

Aber auch abseits der einschlägigen Etablissements gab es immer wieder kriminelle Handlungen durch US-Soldaten, die durchaus in der örtlichen Presse zur Sprache kamen. „Im Juli 1970, als der Disziplinverfall der U.S. Army noch weiter fortgeschritten war, knüpften Journalisten des Fränkischen Tages auch an überkommene Stereotypen an und bewerteten die Handlungen eines farbigen GIs als ,Wildwest-Methoden‘. Dieser hatte vor der Kaserne einen Taxifahrer um das Fahrgeld geprellt und sich dann beim Kontrolldurchlassposten eine Pistole geholt, um den Taxifahrer zu bedrohen. Der Posten wurde danach eingesperrt im Wachhaus aufgefunden. Der Autor des Artikels zog daraus die Schlussfolgerung, dass die Kommandeure der Bamberger Garnision ihre Truppe ,nicht im Griff‘ hätten.“ (S. 284)

Es gab natürlich auch positivere Seiten der US-Präsenz. „Mitte der siebziger Jahre waren 850 Deutsche in der US-Kaserne beschäftigt.“ Deren Zahl aber „… bis 1982 auf 439 Personen reduziert wurde“ (S. 226).

Probleme mit Gewalt und „Triebstau“ hängen nicht so sehr von der Nationalität junger Männer ab, sondern, in diesem Fall, neben psychischen Belastungen, z.B. aus dem Vietnam-Krieg, vom Zustand der Kasernierung junger Männer. Gewalt und sexuelle Misshandlungen kommen in allen Formen der Internierung (z.B. Internate, Heime, Klöster, Kasernen, Gefängnisse) vor. Kurze Zeit hatte es so ausgesehen, als wäre die Zeit der Garnisonsstadt Bamberg zu Ende und in Bamberg Ost könnte ein Stadtteil mit friedlicher Ausrichtung entstehen. Natürlich kann man deutsche Polizeischüler nicht mit amerikanischen Soldaten vergleichen. Aber nach ca. 500 Jahren Garnisonsstadt mit Kasernen und kasernierten Menschen in einer relativ kleinen Provinzstadt hätte es Bamberg verdient, einen anderen Weg in die Zukunft zu gehen.

Leider aber wird daraus nichts, Bambergs Zukunft als Garnisonsstadt ist (von OB Starke als „sensationell“ gefeiert) erst mal „gesichert“ – Schade!

Die schnellste Konversion aller Zeiten

… fand leider nicht in Bamberg statt. In Schweinfurt wird die Rekordkonversion gefeiert, siehe Frankenschau vom 8.1.2016. Unter anderem entsteht auf dem dortigen, 26 ha großen Gebiet der Ledward-Kaserne ein Wohnheim für 100 Studenten sowie ein Uni-Campus für 3.000 Studenten. Für 20 Millionen Euro hat die Stadt das Gelände vor einem Jahr gekauft. Auch in Schweinfurt wird bereits ein kleiner Teil der Ledward Kaserne von der Bezirksregierung (Unterfranken) als Zentrale Erstaufnahmeeinrichtung für 5 Jahre angemietet, der danach in den Besitz der Stadt übergeht. Nächsten Monat wird der größte Teil der Konversionsfläche des Geländes in den Besitz der Stadt Schweinfurt übergehen, auf dem sowohl Wohnungen frei werden und auf dem die Entwicklung eines neuen Stadtteils geplant ist. Insgesamt handelt es sich dann um eine Fläche von 350 ha. Im Bericht des BR heißt es „Andere Städte hinken da weit hinterher.“ Sebastian Remelé, OB Schweinfurt, erklärt, was Schweinfurt anders macht: „Zunächst einmal, und das ist ganz entscheidend, dass sich die Verwaltung und der Stadtrat in der Zielsetzung einig war … und das gute und vertrauensvolle Verhältnis zur BiMA.“ Außerdem die Tatsache, dass „… wir wirtschaftlich in einer Situation sind, wo wir auch den Erwerb stemmen können.“

Sein Erfolgsrezept ist klar und einfach. Die Stadt hat ihre Bürger schon 2012, also weit vor dem Abzug der US-Army, aufgerufen, sich mit Ideen zu beteiligen. Hierzu Kontakt und Ansprechpartner im Rathaus geschaffen.

In Bamberg wird Lotto gespielt

Der Fraktionsvorsitzende der „Sozialdemokraten“ sprach laut infranken vom 19.1.2016 vom „Sechser im Lotto“, den Bamberg da gezogen hat. Dahin sind Hoffnungen und Wünsche Bamberger Bürger, die in der Konversion eine Chance sahen, Platz für die Realisierung ihrer Vorhaben zu erhalten oder einfach nur der überhitzten Bamberger Immobilienblase zu entrinnen. Dahin auch die „Vision“ von der „Gestaltungskonversion“. Die Formulierung, dass was „gewonnen“ wurde kennzeichnet treffend das ganze Vorgehen in Sachen Konversion: Keine Überlegung, keine Konzepte, keine Taten. – Schade, oder gibt’s noch Hoffnung in Bamberg?

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Vortragsreihe „Bamberg: Militär und Stadt“ / Vortragsreihe „Bamberg: Militär und Stadt“ hat begonnen / Vortragsreihe „Bamberg: Militär und Stadt“ erfolgreich fortgesetzt / Bamberg im Kalten Krieg beim vierten Vortrag von „Bamberg: Militär und Stadt“ / MUNA-Gelände ist zum Teil Landschaftsschutzgebiet und birgt offensichtlich historische Besonderheiten

 

3 Gedanken zu „Garnisonsstadt Bamberg – einst und auch heute wieder

  1. Man darf gespannt sein, wie die Bundesbehörde die Belastung der Häuser durch Schadstoffe einschätzt und ob sie umfangreiche Sanierungen vornehmen wird.

  2. Der schweinfurter OB tut das, wofür er gewählt ist, kluge Entscheidungen im Sinne der schweinfurter Bürger treffen. Die Lottospieler aus Bamberg heizen nur die Immobilienblase weiter auf. So bleibt für den Normalverdiener nur noch der Wegzug aus dieser an sich schönen Stadt. Dreist, dieses Versagen auch noch als Gewinn zu verkaufen.

  3. Versagen auf höchstmöglichem Niveau. Dieser Stadtrat und sein starker OB werden als die größten Nullen in die Annalen der Stadt eingehen.

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