Bamberg stemmt sich gegen das Venedig Prinzip

Redaktion
Haltestelle vor der Villa Wassermann. Foto: Erich Weiß

Haltestelle vor der Villa Wassermann. Foto: Erich Weiß

Nun hat die probeweise Verlegung der Haltestation der Flusstouristen-Busse von der Südlichen Promenade an die Konzerthalle in der Mußstraße das O.K. des gesamten Stadtrats. Der Beschluss des Umweltsenats von voriger Woche wurde in der Vollsitzung bestätigt, mit 21:18 Stimmen.

Bürgermeister Dr. Lange appelliert, dem Beschluss des Fachsenats zuzustimmen

Vorausgegangen war ein Nachprüfungsantrag – als Dringlichkeitsantrag formuliert – der SPD und des BBB. Erneut war Bürgermeister Dr. Christian Lange (CSU) Sitzungsleiter, wie bereits im Umweltsenat. Bestens vorbereitet konnte er dies heikle Thema souverän diskutieren, schließlich trifft es das von ihm bertreute Referat ins Mark. Auch die Süddeutsche Zeitung berichtet Neue Routen für Touristenbusse. Immerhin galt es, jede Menge Gesichtspunkte im Blick zu haben: Außer der Verkehrsbelastung, der überregionalen Tourismusbranche und den Verdienstmöglichkeiten diverser Berufsstände sollen die Belastung der Anwohner und deren Häuser, darunter Einzeldenkmale, vor Augen geführt und abgewogen werden. Widerstände sind bei solch einem „heißen Eisen“ quasi vorprogrammiert. Und der Umweltsenat hat Position bezogen, wollte neue Touristenrouten eruieren lassen und somit den stetig steigenden Nutzungsdruck verringern.

Neue Erkenntnisse?

Nachprüfungsanträge können gestellt werden, wenn 1/3 der Senatsmitglieder oder 1/4 des gesamten Stadtrats dies wünschen. Liegen neue Erkenntnisse vor, ändert sich die Sachlage und es muss neu diskutiert werden. Das ist legitim. Doch gerade dieses Thema wird seit 5 Jahren ausgiebig beratschlagt, sodass die Begründung durch den SPD-Fraktionsvorsitzenden Klaus Stieringer nicht überzeugte, zumindest nicht die Mehrheit des Stadtrats. Seiner Rede nach lägen neue Schreiben der Stadtführer, der Marktbeschicker, der IG Lange Straße und von Anwohner der Mußstraße vor, worauf Daniela Reinfelder (BuB) rief „Hier liegt nichts vor!“ Er meinte für alle zu sprechen: „Wir tun uns allen keinen Gefallen, wenn wir das durchwinken, ohne mit diesen Interessensgruppierungen zu verhandeln. Eine dezentrale Auslagerung wird nicht funktionieren.“ Noch im August 2014 unterzeichnete er gemeinsam mit Daniela Reinfelder, Birgit Dietz und Dr. Helmut Müller (beide CSU) einen Antrag, in dem es – noch ganz anders – heißt:

„… 3. Die Verwaltung wird aufgefordert, alternative Standorte, wie z.B. Markusplatz uniseitig, Konzerthalle oder andere für die Transferbusse der Flusskreuzfahrer zu benennen. … Eine entzerrende Verlagerung der Touristenströme wird bislang wirtschaftlich wenig genutzten Strassenzügen neue Entwicklungspotenziale eröffnen.“

Die einst einige GroKo bröselt. Tatsächlich führt seine Wendung auch die internen Diskussionen der CSU vor, die zeitweise zu lichten Reihen der stärksten Fraktion führte (lies FT Eklat im Bamberger Rathaus: CSU Räte verlassen den Sitzungssaal). Offenbar sympatisierten zahlreiche CSUler mit Stieringers Wende, wollten aber nicht gegen die Senatsmitglieder aus den eigenen Reihen stimmen und schon gar nicht gegen ihren Bürgermeister – und verließen vorzugsweise den Sitzungssaal. Eine Möglichkeit: sich kurzerhand der Abstimmung entziehen. Prof. Gerhard Seitz, You Xie, Dr. Helmut Müller und Markus Huml blieben, Dr. Birgit Dietz fehlte entschuldigt. Alle anderen waren mehr oder weniger auswärts, warum auch immer.

Peter Gack (GAL): „Kein Rückgrat … Verrat an den Wählern … Volksverdummung“

Die Flucht vieler CSUler erschütterte Peter Gack (GAL), es sei eine Lokalposse der CSU, einige Kollegen besäßen kein Rückgrat. „Sich aus der Verantwortung zu stehlen, ist ein Verrat an den Wählern. Das habe ich noch nie erlebt.“ An Stieringer gewandt: „Ihre verrückte Argumentation grenzt an Volksverdummung. Wir haben seit Jahren alle Informationen vorliegen.“ Er sei selbst nicht glücklich mit dem Beschluss (die GAL bevorzugt die Haltestelle am Margaretendamm, Anm. d. Red.), aber die probeweise Einführung lasse immerhin nachfolgend Schlüsse zu. „Hätten Sie Dr. Lange zugehört, dann wüssten Sie um die Bedeutung des Beschlusses!“ Während Gacks Redebeitrag kommen so nach und nach die CSUler zurück, eine nach dem anderen nehmen sie wieder Platz, nachdem Dr. Müller im Vorraum nachhalf. Auch Dieter Weinsheimer (Freie Wähler) hielt den Punkt für ausdiskutiert und bedankt sich für die faire Sitzungsleitung. Norbert Tscherners (BBB) Meinung nach wollen die Touristen keine Schleichwege gehen, sondern die Altstadt erleben.

Bamberg hat ein Zeichen gesetzt, wenn auch mit erheblichen Geburtswehen. Ein Zeichen, dass man Sorge trägt. Und nicht dem „Venedig Prinzip“ verfällt. Einige haben an Glaubwürdigkeit eingebüßt, andere an Größe gewonnen.

___________________________

Busse der Flusskreuzfahrer: weg von der Promenade Konzerthalle soll neuer Haltepunkt für die Transferbusse der Flusskreuzfahrtschiffe werden / Südliche Promenade: Abstimmung die dritte, bitte! / Südliche Promenade: Pleiten, Pech und Pannen / Südliche Promenade … bitte nochmals abstimmen lassenSind die Bamberger Straßen der Innenstadt für Lastverkehr ausgelegt?Südliche Promenade – hier ist Stadtplanung gefragt! Busse an der südlichen Promenade: Die BASTA-Politik des Oberbürgermeisters / Busse an der Promenade: Interview mit Baureferent Michael Ilk / Alternativen zum Busverkehr an der Promenade: Ein Beitrag zur Debatte / Peter Braun zur Situation an der Promenade: Trouble in Paradise / Touristenbusse versus Denkmäler jüdischer Kultur / Haus Nonnenbrücke / FDP fordert Maßnahmen gegen Gebäudeschäden an der Promenade / Alle Busse könnten von der südlichen Promenade weg / Tourismus in Bamberg: Was, Sie wollen nicht? Durchschnittlich hat jedeR BambergerIn jährlich die Chance, 100 neue Touristen-Freunde zu treffen. Wenn Stieringer … /

 

Ein Gedanke zu „Bamberg stemmt sich gegen das Venedig Prinzip

  1. Ich staune schon:

    An der Konzerthalle bzw. auf der Mußstraße stehen ohnehin schon häufig Reisebusse, zudem führen zwei Stadtbuslinien dort entlang. Es gibt Anwohner, einen Kindergarten, einen Spielplatz sowie den durch die Konzerthalle versachten Verkehr.

    Alles das – bis auf eine Fahrtrichtung eines Linienbusses – fehlt in dem in Frage kommenden Bereich des Margaretendamms (Parkplatz des ehemaligen Hallenbads). Die Wendemöglichkeit läßt sogar zu, die Kreuzfahrtbusse auf dem direkten Weg zurückfahren zu lassen – deutlich bequemer als am Markusplatz vorbei.

    Allerdings: Die Stadtwerke könnten sich gestört fühlen – und dagegen sind Verkehrssicherheit, Lärmentlastung, Wohnqualität etc. natürlich nur schwache Argumente.

Kommentare sind geschlossen.