Die neue Flüchtlingseinrichtung ist ein inhumanes Abschiebelager. Ein „humanitäres Rückführungszentrum“ gibt es nicht

Ein Standpunkt der Fraktion "Bamberger Linke Liste"

Anmerkungen und Bewertungen zur Asyl-Debatte im Feriensenat des 20. August 2015

Bamberg wird, so hat es der Feriensenat am 20. August 2015 mit der Mehrheit der GroKo und GAL-Senatsmitglieder entschieden, eine „Ankunfts- und Rückführungseinrichtung für Asylbewerber aus dem Balkan“ bekommen. Also ein „Abschiebelager“, sagen die linken Demonstranten, die sich bei Regen und kurzfristig in überschaubarer Zahl am Maxplatz vor der Sitzung zum Protest eingefunden hatten. „Abschiebelager“ sei ein hässliches Wort, lässt ein Befürworter der neuen Einrichtung während der Senatsdebatte verlauten und möchte damit die Kritiker anprangern – und nicht die Einrichtung selbst, um die es in der Debatte geht.

Ganz faktisch geht es – wohl übereinstimmend – um eine Einrichtung, die speziell und ausschließlich Flüchtlinge aus dem Westbalkan aufnehmen soll. Diese Asylbewerber sollen „in einem beschleunigten Verfahren behandelt werden“, wobei die „möglichst rasche Rückführung in die Heimatländer gewünscht“ ist (Zitate aus der Sitzungsvorlage für den Feriensenat). Dies würde durch die Zusammenführung dieser Menschen aus ganz Bayern in zwei Zentren in Bamberg und Ingolstadt ermöglicht.

Immenser Schaden durch spezialisierte Rückkehreinrichtungen

Die Bamberger Linke Liste, deren Stadtrat nicht im Feriensenat vertreten war, lehnt solche Einrichtungen strikt ab und betrachtet deren Beschluss als eine weitreichende Fehlentscheidung.

Begründung:

1) Die hiermit geschaffene „spezielle Einrichtung“ nimmt eine extrem schädliche und folgenschwere Trennung, sprich Diskriminierung, zweier unterschiedlicher Typen von Asylbewerbern vor. Während etwa Flüchtlinge aus Syrien, Irak oder Eritrea als „echte“, wirklich hilfsberechtigte Asylbewerber wahrgenommen werden, werden Flüchtlinge aus den Balkanstaaten allein durch ihre Herkunft pauschal (!) in die Schublade der unberechtigten Asylsuchenden gesteckt.

2) Die Unterscheidung wird anhand einer festgestellten „geringen Bleibewahrscheinlichkeit“ für Flüchtlinge aus dem Westbalkan getroffen. Nur etwa 0,1% bis 0,2% der Flüchtlinge würden als Asylberechtigte anerkannt. Das hört sich schwer nach einem gegebenem Faktum zu dieser Menschengruppe selbst an, hier fließt aber ganz bedeutsamer Weise die gerichtliche Praxis in Deutschland ein und sagt „nur“ darüber etwas aus: In anderen Ländern werden wesentlich höhere Anerkennungsquoten verzeichnet (z.B. Anerkennung flüchtiger Albaner zu 50 % in Italien, zu 9,5 % in Frankreich, zu 17,8 % in Großbritannien, weitere Daten hier).

3) Auch wenn die in Deutschland maßgeblichen Asylgründe bei vielen Asylsuchenden aus dem Westbalkan nicht vorliegen, so muss auch deren Asylbegehren genauso sorgfältig und vorurteilsfrei erfolgen. Das wäre selbst dann unverzichtbar, wenn dies bei Flüchtlingen eines bestimmten Herkunftslandes nur in ganz geringem Umfang gegeben wäre. Schon jetzt ist aber eine vorurteilsfreie Beurteilung offensichtlich gefährdet, dies wird durch die Schaffung von „Ankunfts- und Rückführungszentren für Asylsuchende aus dem Balkan“ erheblich verschärft werden. Flüchtlinge, die zur Gruppe „mit geringer Bleibewahrscheinlichkeit“ gesteckt werden, werden in sich selbst erfüllender Prophezeiung häufig schon deshalb kein Bleiberecht erhalten. Die Gefahr ist groß, dass daraus unberechtigte und menschenrechtsverletzende Abschiebungen erfolgen.

4) Die Errichtung solcher „spezialisierter Einrichtungen“ bestärkt fremdenfeindliche Einstellungen, fördert sie bei latentem Vorliegen oder schafft sie erst gänzlich neu. Die Flüchtlinge, die in den neuen Einrichtungen konzentriert werden, werden als Beleg und als sichtbares Zeichen dafür genommen werden, dass „das alle nur Wirtschaftsflüchtlinge“ sind. Sicher geschieht das Pauschalisierende („alle nur Wirtschaftsflüchtlinge“) in der Verantwortung der fremdenfeindlich denkenden Mitbürger. Politische Wendungen, Worte, und eben auch entsprechende Einrichtungen tragen einen guten Teil dazu bei. Sie gießen weiteres Öl ins Feuer. Nicht zuletzt durch eigenes pauschales Behandeln einer Herkunftsgruppe durch die Politik.

5) Die diskutierten Einrichtungen bestärken nicht nur fremdenfeindliche Einstellungen, sie „eignen“ sich auch „hervorragend“ für entsprechende fremdenfeindliche Aktionen und Handlungen, indem sie ein Objekt darstellen, in das die Einstellungen kanalisiert werden (können). Damit rechnen offensichtlich auch die Verantwortlichen in der Stadt Bamberg wie im Freistaat Bayern, und sehen zu diesem Zweck den „Schutz der Asylbewerber“ durch Zäune und Polzeiaufstockung vor – was für fremdenfeindliche Menschen nur umsomehr beweisen wird, wie „böse“ und „gefährlich“ diese Asylbewerber sind. Es handelt sich um einen sehr zweifelhaften Schutz, einen Schutz der nach hinten losgeht. Erheblich zielführender wäre es, diese Zentren nicht zu errichten.

Rückführung, Abschiebung oder Abschreckung?

Flüchtlinge, deren Asylgesuch abgelehnt wird, werden fast definitionsgemäß einer existenziellen Hoffnung beraubt. Wer die Anordnung und Durchsetzung einer Rückkehr in das Land, vor dem man aus Angst und Verzweiflung geflohen ist, neutral als „Rückführung“ bezeichnet, hat das Leid dieser Menschen nicht verstanden oder macht die Augen davor zu. Wenn man diese Einrichtung noch mit dem Prädikat einer „Ankunfts“-Einrichtung versieht, so ist das der Gipfel der Beschönigung und wirkt zynisch. Der Begriff der „Abschiebung“ hingegen bringt die Unfreiwilligkeit der Rückkehr und deren Erzwungenheit, und damit die existentielle Wahrheit der Betroffenen zum Ausdruck. Diese Bezeichnung trifft den Kern der Sache.

In der Stadtratsdebatte hingegen wurden diejenigen angeprangert, die das „hässliche“ Wort von der „Abschiebung“ in den Mund nehmen. So als wären diejenigen inhuman, die das Inhumane beim Namen nennen. Da muss man unwillkürlich an Begebenheiten in der Geschichte denken, bei denen die Überbringer schlechter Nachrichten geköpft wurden. Noch eine andere Bezeichnung für die neue Einrichtung ist im Umlauf: Es sei ein „Abschreckungslager“. Auch diese Bezeichnung und Charakterisierung wird von den Befürwortern der Einrichtung heftig dementiert. Innenminister Herrmann gibt den Kritikern aber offensichtlich recht. Er erläutert nämlich den Zweck dieser Einrichtung wie folgt: „Der Gedanke dahinter ist, dass sich in den Ländern, die überhaupt keine Bleibeperspektive haben, ein Bewusstsein breit macht, dass es überhaupt keinen Sinn hat, nach Deutschland zu kommen … Das ist der eigentliche Zweck.“ Auf der SPD-Homepage liest man, die für die Einrichtung ausgesuchten Gebäude der Flynn machen einen so guten Eindruck, dass sie überhaupt nicht geeignet seien, Asylbewerber aus dem Balkan abzuschrecken. Die Gebäude freilich nicht, wohl aber das Wissen: Man wird und soll in dieser „Ankunfts- und Rückführungseinrichtung“ nach der Ankunft dort schnell wieder rückgeführt werden.

Humanitäre Aktion oder wirtschaftliches Kalkül?

Oberbürgermeister Starke und die Einrichtungsbefürworter der GroKo haben in der Debatte versucht, den „Vertrag“ mit Innenminister Herrmann zur Etablierung der Abschiebeeinrichtung als humanitären Akt darzustellen und zu verkaufen. Eine peinliche Darstellung.

Peinlich, weil sie fast zwangsläufig in einem fort in Widersprüche geraten.

So möchte der SPD-Fraktionsvorsitzende Stieringer die integre Grundhaltung der Einrichtungsbefürworter herauskehren, indem er rhetorisch frägt: „Wer verdient unseren Schutz? Und wer entscheidet, was ein ausreichender Flüchtlingsgrund für einen Menschen ist?“ Fragen, die man geneigt ist so zu beantworten, dass jeder Flüchtende unser Schutz verdient und jeder einen ausreichenden Grund zur Flucht hat. Peinlich, wenn man damit begründen will, warum die Stadt Bamberg sich hergibt, eben diese prinzipielle Schutzbedürftigkeit anzuzweifeln und mit einer Einrichtung zu übergehen, die nur auf Basis des Herkunftslands das Vor- Urteil „geringe Bleibewahrscheinlichkeit“ fällt. Noch einen Satz zuvor hatte Stadtrat Stieringer diskriminierend darauf hingewiesen, dass „Armutsflüchtlinge“ aus dem Balkan den (wirklichen) Kriegsopfern aus Syrien die dringend benötigten Unterkunftsplätze wegnehmen. Stadtrat Stieringer fällt hier die Vor-Urteile, die er rhetorisch anprangert. Und er möchte sie auch noch den Linken in die Schuhe schieben, indem er sagt: „Und da – auch wenn es die Linken nicht verstehen oder offenkundig nicht hören wollen – drängt sich die Frage auf: Wer verdient unseren Schutz? Und wer entscheidet, was ein ausreichender Flüchtlingsgrund für einen Menschen ist?“ Rhetorisch tut Stieringer so, als würde er für den Schutz der Flüchtlinge eintreten, in Wahrheit befürwortet er eine Einrichtung, die diesen Schutz aushöhlt.

Und die Einrichtungsbefürworter verweisen mehrfach auf Bambergs Beitrag dazu, dass „jeder Flüchtling zumindest ein Mindestmass an Platz und Raum findet, anstatt auf Zeltplätzen in den Winter gehen zu müssen“. Das klingt humanitär, wird aber entlarvt und konterkariert, wenn man dafür eine diskriminierende Einrichtung schafft, die einen „unberechtigten“ Teil der Flüchtlinge möglichst schnell zurück in die Verzweiflung schickt.

Genauso peinlich widersprüchlich Stieringers Appell: „Wir heißen die Menschen aus aller Welt willkommen und wir werden helfen!“ – Menschen willkommen heißen in einer Einrichtung, die auf möglichst schnelle Rückführung spezialisiert ist? Das ist zynisch!

Am offensichtlichsten zeigen sich Stieringers Widersprüche in seiner Feststellung „Es gibt keine guten oder schlechten Flüchtlinge. Es gibt keine richtigen oder falschen Flüchtlinge“. Mit diesen Sätzen bringt man eine auf den Punkt getroffen eine humane Haltung zum Ausdruck. Mit der Befürwortung einer Einrichtung, die genau das tut, nämlich in gute und schlechte Flüchtlinge unterteilen und die schlechten möglichst schnell wieder loswerden, damit steht man diametral im Widerspruch zur formulierten humanen Haltung.

Wir betrachten es als Angriff auf die Würde dieser Menschen und als Abstreiten ihrer Not, wenn Flüchtlinge aus dem Westbalkan angegriffen werden, sie seien „nur“ Armuts- und Wirtschaftsflüchtlinge. Weil es sich um Angehörige anderer Nationen handelt, steckt darin auch etwas Ausländerfeindliches. Darum greifen die Rechten gerne den diskriminierenden Begriff der Wirtschaftsflüchtlinge auf (sie übergehen sogar noch die Armut dieser Gruppe). Stieringers Argumentation ist Wasser auf die Mühlen der Rechten, wenn er darstellt, es „belegen immer häufiger Armutsflüchtlinge die Plätze, die Kriegsopfern aus Syrien dringend fehlen“. Die Einführung des neuen Typs von Flüchtlingslagern ist per se Wasser auf die Mühlen der Rechten.

Mit schönen Worten von „humanitärer Aufgabe“ kann man über den inhumanen Grundgedanken der neuen Abschiebeeinrichtungen bestenfalls hinwegreden. Ein wirklich humanitäre Gesinnung hat dieser Einrichtungstyp keinesfalls zur Grundlage. Dementsprechend nahmen in der Debatte auch die – überwiegend finanziellen – Gegenleistungen der bayerischen Staatsregierung einen wesentlich breiteren Raum ein als die Fragen nach der gesinnungsmäßigen Grundlagen der neuen Einrichtung. So gesehen haben unsere Stadtoberen in der Angelegenheit weniger eine humanitäre Frage gesehen, sondern mehr eine Gelegenheit, für die Stadt wirtschaftlich etwas herauszuholen. Da kommt durchaus die Frage in den Sinn, ob hier menschenrechtliche Ideale verkauft worden sind.

Abschiebeeinrichtung nicht akzeptieren

In einem weiteren Beitrag werden wir die undemokratische und überfallartige Entscheidungsfindung in dieser Angelegenheit beleuchten. Wir meinen, es wäre besser und dringend nötig gewesen, sich für diese Entscheidung Zeit zu nehmen, sie mit der Bürgerschaft zu erörtern und zu diskutieren und mit ihr gemeinsam zu fällen. Wir vermuten, sie wäre anders ausgegangen. Die Bamberger Linke Liste wird die neue Abschiebeeinrichtung jedenfalls nicht akzeptieren.

4 Gedanken zu „Die neue Flüchtlingseinrichtung ist ein inhumanes Abschiebelager. Ein „humanitäres Rückführungszentrum“ gibt es nicht

  1. ad 1: mir ist nach meinem Ersteinwurf klar, dass diese Diskussion hier zu versachlichen ist, eben offenbar aber immer leider in der Tat nur Bamberg-„außerparlamentarisch“ bleibend. Zu einer Versachlichung tragen beide jüngeren Kommentare bei;

    ich bleibe dabei, wie Frau Steinhäuser, hier in der BOZ die Diskussionsebene zu verbreitern, zB per klaren, unverschwiemelten Texten, was nicht mit ausschweifend „grün-links-romantisierenden“ Analyseversuchen zu erreichen ist (wofür mal eine flotte Textexegese/ 6. Semester wünschenswert wäre) sdn mit prägnant eindeutigen Statements, die JEDER lesen können darf!

    ad 2: und der Laufmann-Kommentar hier überzeugt auch überhaupt nicht, er versucht ja nur eine Meinungsäußerung, weil er leider inhaltlich im Gespinst seiner eigenen/den üblichen/ Widersprüche/n hängen bleibt.

  2. Ein Standpunkt ist ein Standpunkt und sollte als solcher auch gewürdigt werden. In Zeiten politischer Agonie ein mutiges Statement. Übrigens meiner persönlichen Einschätzung nach mit einem hohen Wahrheits- und Realitätsgrad. Es wäre wünschenswert, wenn sich auch andere Parteien zu einer Stellungnahme entschließen würden. Ein gewagter Wunsch, ich weiß, besonders in Zeiten, in denen die beliebteste Haltung eine Geduckte ist…

  3. da schreibt jemand der nicht die geringste Ahnung hat, wie viele Probleme von den „unberechtigten“ Asylsuchenden vom Balkan ausgehen. Nur wer vollkommen blind und extrem positioniert ist, kann leugnen dass die Probleme der (oft wiederholt) hier auftauchenden Personen mit anderen Flüchtlingen deutlich zugenommen haben.

    Leider kommen nämlich viel zu oft genau die Personen hierher, die sich schon in der Heimat jeglicher Integration vorsätzlich verweigert haben. Warum sollen deren Probleme mit dem Rest der Menschen ausgerechnet bei uns gelöst werden? Sind wir die Heilsarmee für Kooperationsunwillige geworden? Erwachsene Männer lassen ihre Familien zuhause um hier zu überleben oder Pakete in die Heimat zu senden. Ist das wohl richtig so?

    Diese Gruppe zerstört viel zu viel Potential und Chancen für Kriegsflüchtlinge. Es ist geradezu nlind, wenn man unsere Ressourcen vorsätzlich an mehr oder minder gesellschaftsunwillige Personen verschwendet.

    Auch wenn Linke weder ihre Vergangenheit noch ihre extreme Einseitigkeit zugeben werden, eines müssen sie mitverantworten:
    ihre sturbockige „alle sind gut“-Haltung ist ein großer Nährboden für den Unmut der einheimischen Menschen. Natürlich neben den ständigen Übergriffen einiger vorsätzlicher „Pseudoflüchtlingen“. Das Gesetz gibt uns (leider? oder berechtigt?) vor, wer hier Ansprüche hat und wer nicht. Daran sollten sich auch die Linken gewöhnen und erst Recht „falsche“ Flüchtlinge, die von profitgierigen Schleusern sogar darauf trainiert werden, wie sie als „Syrer“ reinkommen. Nur deren Verhalten entlarvt sie ständig und immer wieder.

    Wir sind alle zusammen kaum in der Lage, diese Störenfriede schon vorher zu erkennen. Sie zerstören nur leider viel von unserer Willkommenskultur. Oft sogar mit Absicht. Diese Lösung ist deshalb leider bitter notwendig, nur am vollkommen falschen, weil grenzfernen Platz.

  4. einerseits: aecht beschämend für BA und BOZ! , dass (bisher?!) kein einziger (Bambercher) Kommentar hierzu erfolgte;

    anderseits nur soviel: diese Stellungnahme der BaLi ist typisch, vielerlei bzw allerlei (aber u.a auch vollk. richtige) Erläuterungen, aber wer liest soviel Textgschmarri?= außer immer dieselben?, Herr Schwimmbeck?, Sie wohl selbst gern oder? Sie sollten Grünen-Literat geworden/ gewesen sein, aber weniger BaLi Kandidat?!

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