Redaktion
Der Kommentar zuerst: Die Sitzung des Feriensenats lässt nicht nur einen bitteren Beigeschmack zurück, sondern auch ein Trümmerfeld ratloser Räte. Wie in einer Anwalts-Gerichts-Inszenierungs-Show wurde Zeitdruck beschworen, Wortfallen aufgebaut, Worthülsen im Vorfeld zur Betäubung des Publikums, des Parteifreunds und des vermeintlichen Gegners verbreitet und zum rechten Zeitpunkt Stolperrückschlüsse gezogen. Eine Inszenierung für mehrere Personen: in den Hauptrollen ein verhandlungsbewusster OB, sein Spezl als Wadenbeißer und Redenschwinger sowie eine zu Recht vor sich hinschwächelnde Müller-Fraktion neben einer freiwillig die Macht aus den Händen sich nehmen lassenden Uschi-Muddi.
Ein beschämendes Bild: Gegen die praktizierte Gastfreundschaft werden nun Zäune und Wachpersonal gestellt
Und was hätten sie reißen können. Welchen klaren Standpunkt pro Menschlichkeit, pro Asyl, pro Freund statt fremd hätten sie formulieren können – und dies als starkes Signal aus einer Welterbestadt nach München senden können. Sie haben eine Bürgergesellschaft im Rücken, die selbst während der Sandkerwa für Flüchtlinge sammelt, deren Kirchen als stete Unterstützer zur Hand gehen, deren VHS seit Monaten, ja Jahren Sprach- und Schulabschlussvorbereitungskurse gibt, wo Caritas, Don Bosco, Freund statt fremd und AWO in vorbildlicher Weise mittlerweile über 72 Jugendliche ohne Eltern an die Hand nimmt, die deutsche Sprache und einen Zugang zur Bamberger Kultur vermittelt, mit ihnen an Fahrräder bastelt und Ausbildungen fördert – quasi den oberfränkischen Til-Schweiger-Vorschlag längst praktiziert. Und was machen die Räte? Die gewählten Volksvertreter? In einer Hau-Ruck-Aktion präsentieren sie die Einrichtung eines „Zentrums„, wo Menschen umzäunt und bewacht leben, um möglichst schnell per Bus, Bahn oder Flugzeug Bamberg wieder verlassen: Masse statt Klasse. Kein Kontakt zur Bürgergesellschaft gewünscht, keine Integration, keine babylonische Sprachver/entwirrung, kein Miteinander, kein Austausch.
Offenkundig fehlte auch der Austausch nicht nur innerhalb der Fraktionen, sondern auch innerhalb der Partei-Ortsverbände. SPD-Chef Stieringer hat sich eine offene Schlacht mit seiner stellvertretenden Ortsverbands-Vorsitzenden von Bamberg Ost, Anke Steinhäuser, geliefert, diese in die „extreme“ Ecke abgestellt. Er redet zwar gerne und viel, doch Kommunikation ist nicht Stieringers Sache. Man erinnere sich an die Diskussion vor einem Jahr um den Bamberger Asyl-Appell Bamberger Asyl-Appell – Wir haben Platz für Asylsuchende, wo er das (Schreckens)Bild eines Erstaufnahmelagers zeichnete und in den Mittelpunkt der Debatte stellte, man müsse die Bürgervereine mit ins Boot holen (Reaktionen auf Asyl-Appell: “nicht bei uns” zu sagen, ist das Falscheste, was man tun kann). Der „bunt-statt-schwarz“-Kalauer von CSU-Müller dürfte sich zum Treppenwitz entwickeln. Und die GAL? Oh weh, was soll man sagen. Hatte tags zuvor noch groß angekündigt, nicht zuzustimmen, wenn die Forderungen nicht erfüllt würden, gab sich dann doch mit einem Brief nach München zufrieden. Auch diese lahme Wendehals-Reaktion wird sich nachwirken.
Im Feriensenat stimmten drei Räte dagegen: Dieter Weinsheimer (FW), Michael Bosch (BR) und Norbert Tscherner (BBB). Die Vereinbarung mit der Staatsregierung komme einer Eilverfügung gleich, grundlegende und ausreichende Erörterungen und Diskussionen fänden bei solch weitreichenden Entscheidungen nicht statt. Da man sich zusätzlich vielfach übergangen fühle, müsse man ein Zeichen gegen das „Durchwinken“ setzen.
Doch die wirklich schreckliche Essenz der Sitzung: der mangelnde Wille der Stadtspitze zum Austausch, schließlich war man sich seiner Groko-Mehrheit sicher. Der stete Blick des OBs auf die Uhr – schließlich wollte man pressewirksam pünktlich zum Bieranstich zur Sandkerwa – während ambitionierte Räte reden wollten, Aufklärung verlangten, den Austausch und das Miteinander suchten.
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Asylverfahren innerhalb weniger Wochen
Nein, offiziell heißt es nicht Abschiebezentrum. Hinter dem bürokratischen Schlüsselwort „Ankunfts- und Rückführungseinrichtung für Asylbewerber vom Balkan“ verbirgt sich nichts anderes, sondern noch mehr: ein Abschreckungszentrum. Zu seinem Vorbild in Ingoldstadt-Manching äußerte sich Innenminister Joachim Herrmann:
„Der Gedanke dahinter ist, dass sich in den Ländern, die überhaupt keine Bleibeperspektive haben, ein Bewusstsein breit macht, dass es überhaupt keinen Sinn hat, nach Deutschland zu kommen“, sagt Innenminister Herrmann. „Das ist der eigentliche Zweck.“
Soweit der Merkur vom 13. August in seinem Beitrag: Balkanzentrum: Der neue Abschiebe-Turbo für Flüchtlinge.
200 Beamte sollen die schnelle Abschiebung garantieren – Mitarbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, Bundespolizei, medizinisches Personal, Richter. Ziel ist es, die Asylverfahren innerhalb von vier bis sechs Wochen zu beenden. Erste Stellenangebote des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (hier) wurden bereits geschaltet.
Sämtliche Verwaltungsvorgänge von der Ersterfassung bis zur Zustellung des abgelehnten Asylantrags sollen an Ort und Stelle stattfinden. Bisher werden Asylbewerber aus dem Balkan über ganz Bayern verteilt, bei anstehenden Abschiebungen fährt die Polizei quer durchs Land, um die abgelehnten Asylbewerber zum Münchner Flughafen zu bringen.
Der Deal mit Bamberg
Mittlerweile hat man sich in Deutschland an Asylbewerbern aus so genannten unsicheren Staaten, d.h. von Krieg oder Bürgerkrieg betroffenen Ländern gewöhnt und In der Bevölkerung ist durchaus eine von Empathie getragene Sorge um das Wohl unserer neuen Bamberger festzustellen. Nicht nur die üblichen Institutionen sondern auch Privatpersonen bemühen sich je nach Kräften mitzuhelfen. Ob diese Hilfsbereitschaft in einem laut Plan von Stadt und Staatsregierung umzäunten Gebiet mit bewachten Toren aufrechterhalten werden kann ist fraglich.
Die einzige Verhandlungsmasse als Standort, da der Stadt das Gelände nicht gehört, ist die Schmerzgrenze mit der man ein Gemeinwesen wie Bamberg mit Flüchtlingszahlen belasten kann. 1500 scheint für Bamberg die Zahl zu sein die das bayerische Innenministerium für beherrschbar hält. Der Staat Bayern ist, aus der Pflicht heraus die Menschen unterzubringen, bis ans Limit gegangen – und die Verhandlungsführer der Stadt Bamberg haben richtigerweise versucht so viel wie möglich für die Stadt Bamberg „herauszuholen“. Neben den Punkten die in der gemeinsamen Erklärung des Freistaates Bayern und Stadt Bamberg (siehe unten die Punkte 9–16 ), ist es das Versprechen von OB Andreas Starke das er im Feriensenat vom 20. August 2015 mehrmals gab, dass durch diese Verhandlungen es nun möglich ist, dass die Stadt Bamberg die dann ihr gehörenden Wohnungen für unter 5 € pro Quadratmeter vermieten wird. An dieses Versprechen werden sich die Interessenten für Wohnungen ständig erinnern müssen und dieses Versprechen mit allen Möglichkeiten einfordern müssen.
Genaue Lage der zukünftigen Wohn- und Verwaltungsunterkünfte:
Das komplette Konversionsgelände, wober der südlichste, rosa markierte Bereich das zukünftige Zentrum umfasst:
Unterdessen äußern Beobachter (z.B. der Migrationsforscher Jochen Oltmer von der Universität Osnabrück hier), dass eine Unterbringung getrennt nach Ethnien – wie nun in Bamberg vorgesehen – Konflikte innerhalb der Zentren nicht verhindern lassen. In erster Linie sind an diesen Auseinandersetzungen völlig überbelegte Asylunterkünfte. Die Wartezeit an den Essensausgaben ist lang, die hygienischen Bedingungen sind oft schlecht. Das ist der Hintergrund der Krawalle – nicht die Tatsache, dass verschiedene Gruppen mit unterschiedlichen Glaubensrichtungen zusammenkommen.
Bambergs SPD folgt der Linie der Bundespartei
Laut Pro Asyl ist sie Nachhaltig wie nasser Keks: Eckpunkte sozialdemokratischer Asylpolitik.
SPD stimmt Abschiebelagern zu
Unter Punkt 4 möchten die SPD-Granden „spezialisierte Strukturen für die Herkunftsländer aus dem westlichen Balkan in den Aufnahmeeinrichtungen, wie sie zwischen den Ländern und dem Bund bereits mehrfach verabredet wurden“. Das sind im Klartext Abschiebelager für die Hoffnungslosen. Dazu müsse der Bund zusätzliche Entscheider an die benannten Standorte schicken, „damit niemand lange dort verweilt.“
Ein frommer Wunsch: Die meisten geplanten Außenstellen dieser und anderer Art werden gegen Ende des Jahres oder im nächsten Jahr entstehen. So lange werden wohl viele Asylsuchende aus den Balkanstaaten ziemlich lange in Erstaufnahmeeinrichtungen verweilen müssen, die aktuell dramatisch überfüllt sind. Das aber will die SPD andererseits nicht: „Solche Einrichtungen machen nur Sinn und sind nur akzeptabel, wenn die Verfahren schnell beendet werden und die Betreffenden nach wenigen Wochen wieder ausreisen.“ Wie denn also, SPD?
Asyl in Deutschland / Bamberger Asyl-Appell – Wir haben Platz für Asylsuchende / Reaktionen auf Asyl-Appell: “nicht bei uns” zu sagen, ist das Falscheste, was man tun kann. / Bamberger Asyl-Appell – Wir haben Platz für Asylsuchende / Lesetipp SZ: Fünftes Aufnahmelager für Asylbewerber in Bayreuth / Die eingeschränkte Solidarität der Bamberger: CSU und SPD lehnen “Massenunterkünfte für Asylsuchende strikt ab” / “Mr. Gorbatschow, open this gate … Mr. Gorbatschow, tear down this wall”
Link zu FT: „Balkan-Zentrum“ in Bamberg: Der Ticker aus dem Stadtrat zum Nachlesen
Link zu WebZet: Diesmal nicht einstimmig
Beachte in diesem Artikel die Fakten und Andeutungen, die auf das Spiel hinter den Kulissen hinweisen. Ich kann bestätigen, da ist viel Wahres dran. Konkret hat mich geärgert, dass ohne Not mich auch jene angegriffen haben, denen ´mal wieder geschmeichelt und unbedeutende Zusagen gemacht wurden.
Ich wünsche mir eine offene und faire Diskussion über das, was tatsächlich unsere Bürger umtreibt. In unserer Stadt gibt es eine große Bereitschaft, Asylbewerber aufzunehmen – aber auch Sorgen und Ängste. In einer fruchtbaren Diskussion muss man beides ansprechen dürfen. Dazu gehört allerdings Vertrauen.
Das ist erschüttert, weil man zunehmend wahrnehmen muss, dass es nicht vorrangig um das Wohl der Stadt insgesamt geht, sondern um die Durchsetzung bestimmter Interessen. Auch dazu gibt der Artikel Hinweise.
Es gehört viel Mut dazu, eine von der Mehrheit abweichende Meinung zu vertreten! Aber nur so kann echte Demokratie gelebt werden!
Vielen Dank für die Wenigen, die Courage gezeigt haben!