Bamberger Sprachwissenschaftler entdeckt gaskognische Einflüsse im Baskischen
Lange Zeit gingen Sprachwissenschaftler davon aus, dass das Baskische eine isolierte Sprache ist, die von benachbarten Sprachen weitgehend unbeeinflusst ist. Prof. Dr. Martin Haase, Inhaber des Lehrstuhls für Romanische Sprachwissenschaft an der Universität Bamberg, revolutionierte die Sprachforschung durch die Entdeckung, dass die galloromanische Sprache Gaskognisch auf das Baskische eingewirkt hat.
Üblicherweise führten die Wissenschaftler für die bemerkenswerte Isolation des Baskischen zum einen die geschützte geografische Lage des Baskenlandes an, durch die das Baskische von der indogermanischen Invasion unbeeinflusst blieb. Zum anderen besteht Konsens darüber, dass sich das Baskische über Ländergrenzen hinweg auf andere Sprachen auswirkte. So entstand durch Kontakt mit dem Romanischen die Sprache Gaskognisch, da viele Basken aus dem südlich der Pyrenäen gelegenen, ursprünglichen Baskenland in die Gascogne, eine historische Provinz im Südwesten Frankreichs, auswanderten und ihre Sprache verbreiteten. Auch die Baskische Akademie sieht das Baskische als eine isolierte Sprache an, die andere Sprachen beeinflusste, aber selbst nicht beeinflusst wurde, und hat dazu vier Sprachatlanten mit detailgetreuen Karten über die oft von Ort zu Ort unterschiedlichen Verwendungen von Wörtern veröffentlicht.
Haase entdeckte auf Forschungsreisen in die Gascogne allerdings das Gegenteil: Die gaskognische Sprache wirkte sich umgekehrt auch auf die baskische Sprache aus. Beispielsweise ist die Betonung auf der zweiten Silbe eines Wortes, die im nordöstlichen Baskenland auftritt, laut Haase nur mit dem Einfluss des Gaskognischen auf das Baskische erklärbar. Bereits Ende der 1980er Jahre befasste er sich damit in seiner Dissertation und fand heraus, dass das Gaskognische wie eine Schleuse funktioniert, die französische Wörter in das Gebiet des ursprünglichen Baskenlands „einschleust“. Im Sommer 2013 fiel Haase beim Begutachten der Sprachatlanten der Baskischen Akademie unter anderem auf, dass die Wörter „arrega“ und „arraga“, die im Nordosten des Baskenlandes verwendet werden und dem deutschen Wort „Erdbeere“ entsprechen, gaskognische und nicht etwa „alte baskische Wörter“ sind.
Haase behauptet, dass das lateinische Wort für Erdbeere, „fraxa“, der Wortursprung für die beiden Ausprägungen ist. Da „f“ für die Bewohner des Baskenlandes nicht aussprechbar war, wandelten sie das Wort in „ahraga“ um, was zu den heutigen Bedeutungen „arrega“ und „arraga“ führte. Haase versuchte, die Dialektologen der Baskischen Akademie für diese Einflüsse des Gaskognischen auf das Baskische zu sensibilisieren. Diese Forschungsergebnisse durfte er schließlich beim Internationalen Kongress für romanische Linguistik und Philologie in Nancy präsentieren.
Haases Beschäftigung mit dem Baskischen zeigt, wie Sprachforschung dabei helfen kann, unsere Vorstellung von Nationalsprachen und der historisch-kulturellen Entwicklung von Nationen zu revidieren.