Courage, a Tale
There was a Child
who heard from another Child
that if you masturbate 100 times it kills you.
This gave him pause;
he certainly slowed down quite a bit
and also kept count.
But, till number 80,
was relatively loose about it.
There did seem plenty of time left.
The next 18
were reserved for celebrations,
like the banquet room in a hotel.
The 99th time
was simply unavoidable.
Weeks passed.
And then he thought:
Fuck it
it‘s worth dying for,
and half an hour later
the score rose from 99 to 105.
Thom Gunn
Von Chrysostomos
Damit die Jungs – und die junggebliebenen unter den Älteren – auch zu ihrem Recht kommen, und auf Wunsch einer Leserin, soll gleich heute, nachdem der PC endlich wieder zu funktionieren scheint, das männliche Pendant zu Thomas Gsellas „Großer Tag für kleines Mädchen“ folgen. Es ist ein Märchen, „a Tale“, läßt im Grimm-Jahr an die Brüder Grimm denken, mit deren Werk der stupend belesene Thom Gunn durchaus vertraut gewesen ist.
Es war also einmal ein kleiner Junge, der hatte von einem anderen gehört, wenn man hundertmal onaniere, werde einen das umbringen. Das ließ ihn pausieren, das stimmte ihn nachdenklich. Er machte wesentlich langsamer, auch führte er Buch darüber. Bis Nummer 80 allerdings ging er ziemlich locker damit um. Es schien ihm noch jede Menge Zeit zu bleiben. Die folgenden 18 waren für Feierlichkeiten reserviert, beispielsweise für den Festsaal in einem (gehobenen) Hotel. Das neunundneunzigste Mal war schlichtwegs nicht zu vermeiden. Wochen verstrichen. Und dann dachte der kleine Junge sich: Scheiß’ drauf, dafür lohnt es sich, zu sterben. Und eine knappe halbe Stunde später hatte er sich von 99 auf 105 hochgearbeitet.
Thom Gunn war einer der großen Lyriker Englands nach dem Zweiten Weltkrieg. 1929 am Südufer der Themse in Kent geboren, wuchs er in Hampstead auf. Seine Mutter, die ihm die Lektüre – von John Keats, von Christopher Marlowe, der gesammelten Werke Shakespeares, von John Milton – ans Herz gelegt hatte, brachte sich nach der Scheidung, Thom war fünfzehn, um. Gunn studierte in Cambridge bei F. R. Leavis, später bei Yvor Winters an der Stanford University. 1954 debütierte er sehr erfolgreich mit Fighting Terms. Die Gedichte darin beeindrucken durch die gekonnte Verbindung von traditioneller Metrik und zeitgenössischer Idiomatik.
Die Kritiker schlugen ihn der Gruppe um Philip Larkin und Kingsley Amis zu, doch war er weit weniger antimodernistisch und auch weniger antiamerikanisch eingestellt als diese. Seit 1958 lehrte Gunn in Berkley; später hatte er noch eine Reihe von Lehraufträgen. Gunn experimentierte mit halluzinogenen Drogen; davon zeugen unter anderen die Gedichte in Jack Straw’s Castle (1976), dem „Courage“ entstammt. Ein großer Erfolg war The Man with Night Sweats (1992: etwa: „Der Mann, der nachts schwitzte“), einer Sammlung von Elegien an die frühen Aids-Opfer. Gunn, der auch mit seinem Bruder, dem Photographen Ander Gunn, zusammenarbeitete, starb 2004 in San Francisco. Auf Deutsch liegen einige Gedichte in der Reclam-Anthologie Moderne englische Lyrik, die Willi Erzgräber 1976 herausgegeben hat, vor. Daß „Courage“ darin nicht zu finden ist, ist dem Freiburger Lehrstuhlinhaber nicht anzulasten. Erzgräber hatte großen Humor.