Zum Bahnausbau in Bamberg

Denkschrift der Bamberger Umwelt- und Verkehrsverbände

Für die Frage „Aus- oder Neubau einer Bahntrasse“ gibt es mittlerweile zahlreiche Beispiele. Alle Erfahrung zeigt, dass der Bau von neuen Strecken in der Regel mehr Schäden bringt als der Ausbau vorhandener Strecken, und dass die Kosten für einen Neubau in der Regel höher liegen als für einen Ausbau. Diese Erfahrung hat sich verdichtet zu der Leitlinie „Ausbau vor Neubau“.

Diese Leitlinie greifen wir auf: Eine zusätzliche Trasse im Osten von Bamberg richtet so schwere Schäden an, dass niemand diese Schäden verantworten kann. Aus diesem Grund lehnen die unterzeichnenden Umwelt- und Verkehrsgruppen eine Ostumfahrung strikt ab. Die Analysen und Überlegungen, die zu diesem Urteil und zu dieser Stellungnahme führen, skizzieren wir im Folgenden.

Zur Vorgehensweise

Es ist nur vernünftig, wenn man zuerst einmal eine vorhandene Trasse darauf hin prüft, ob sie – im Rahmen der Vorgaben und hin auf die gesteckten Ziele – ausbaufähig ist. Ist das nicht der Fall, zum Beispiel weil die gesteckten Lärmschutzziele nicht erreicht werden können, so ist die alte Trasse passee. Zeigt sich jedoch ihre Ausbaufähigkeit, so ermittelt man die Schäden, die der Ausbau anrichtet, und die Kosten, die entstehen. Erst mit diesen Informationen hat man eine Bezugsmarke, auf die hin man das Projekt beurteilen und andere Lösungen vergleichen und abwägen kann.

Für den Bamberger Abschnitt von 8.1 heißt das: Das Erste, was zu tun ist, ist die Untersuchung der vorhandenen Trasse. Die Kernfrage für uns ist dabei, wie und mit welchem Aufwand mindestens der gesetzlich verbriefte Lärmschutz gesichert werden kann. Die angedrohten 4, 5, 6, … Meter-Mauern sind vom Tisch; die damit angedrohte Beschädigung des Welterbes ebenfalls. Der Werkzeugkasten des Lärmschutzes dagegen wird immer variantenreicher bestückt. Mit welchem Bündel an verschiedenen Techniken können mit der vorhandenen Trasse die Ziele des Lärmschutzes  erreicht werden, ohne dass das Stadtbild Schaden davon trägt? Das ist die Frage, die als erste ansteht; sie sollte als erstes angegangen werden.

Vor einer gründlich erarbeiteten Antwort von ausgewiesenen Fachleuten macht es – für Bamberg und die anliegenden Gemeinden insgesamt – keinen Sinn, Steuergelder für die Suche nach neuen Trassen auszugeben.

Frühe Ostumfahrung

Einen Neubau „entlang der Autobahn“ hatten wir in unseren Kreisgruppen frühzeitig erörtert und schon bald verworfen. Denn schon ein unbefangener Blick zum Beispiel auf die topografische Karte 1 : 25000 lässt einen Eindruck von dem Flurschaden gewinnen, den eine solche Trasse anrichtet. Dazu kommen der Lärmexport, der etliche tausend Anwohner in Housing Area, Gartenstadt, Lichteneiche, Gundelsheim und Kramersfeld zu Leidtragenden der Innenstadtentlastung macht, und die horrenden tief- und hochbautechnischen Probleme, die die zahlreichen Auf- und Abfahrten der Autobahnen stellen, getoppt noch einmal durch das Autobahnkreuz. Dieser drei Problemkomplexe wegen hielten wir eine zusätzliche Trasse im Osten für keine ernsthafte Option und für nicht weiter diskussionswürdig. Wir waren für das Weitere davon ausgegangen, dass die groben Nachteile einer „Ostumfahrung“, wie immer sie im Einzelnen gelegt werden mag, für jeden unbefangenen Kopf augenfällig sind.

Die Schäden

Nun fällt eine  Trasse dieser Art  plötzlich als „Bamberger Weg“ vom Himmel. Da es bisher an keiner Stelle und von keiner der agierenden Gruppen gemacht worden ist, machen wir eigens auf die Schäden aufmerksam, die ein Neubau Ost  anrichtet:

A Flächenfraß
Wer das erste Mal von einer „Ostumfahrung für Güterzüge“ hört, stellt sich eine solche Trasse ungefähr so vor: „Das sind zwei Gleise, die brauchen doch nur 5 m!“ Das ist aber ganz falsch. Ein erster Überschlag geht ungefähr so: Die Gleise brauchen Platz (2 mal 2,50 m Lichtraumprofil), die Gleise brauchen Abstand (4 m), die Masten brauchen Platz (2 mal 1 m), die Lärmschutzwände brauchen Platz (0 oder 1 oder 2 mal 1 m), die Zugangswege brauchen Platz (2 mal 2,50 m). Wo die Gleise auf einem Damm geführt werden müssen (als Schutz für ausbrechende Kfz), kommen noch die Böschungsbreiten dazu. Die ganze Anlage braucht Abstand zu den Fahr- und Standspuren der Autobahnen (10 m). Zusammen sind das nicht  5 Meter, sondern mehr als 25. Dazu kommen noch 10 oder 20 m Freigelände für die Bauarbeiten. Und das auf einer Länge von etwa 13 km in Nord-Süd-Richtung und zusätzlich 4 km in Ost-West-Richtung. Das ist eine Fläche von mehr als 40 oder 50 Hektar – mehr als 55 Fußballfelder, vielleicht sogar mehr als 70! 17 000 Meter lang  25 Meter breit oder 35 – Flächenfraß!

Seit Jahrzehnten prangern alle Umweltverbände den hemmungslosen Umgang mit Grund und Boden an. Man braucht nur in die Zeitung schauen: neue Gewerbeflächen, neue Baugebiete, breitere Straßen – jeden Tag. Alle Umweltverbände reden sich seit Jahrzehnten den Mund fusselig, mittlerweile ist auch das Landesamt für Umwelt dabei: Flächenfraß ist eines unserer schwersten Zukunftsprobleme überhaupt. Überflüssige Verkehrstrassen sind ein krasses Beispiel für Flächenfraß, für Missbrauch von Boden und Umwelt.

B Hauptsmoorwald
Ein großer Teil der beanspruchten Fläche ist Hauptsmoorwald. Auf 6 km oder 8 km würde 30 oder 40 m breit abgehackt und platt gemacht. Ist der Hauptsmoorwald nichts als Bauland auf Abruf? Das ist ein grobes Missverständnis. Auch für jeden, dem es vielleicht noch nicht aufgefallen ist, hat der Hauptsmoorwald  seine jahrtausendealte Bedeutung: seine Nutzfunktion (Holz, Jagd, Pilze und Beeren), seine Erholungsfunktion (Ruhe, gute Luft, Bewegung), und seine Schutzfunktion (Luftfilter, Klimaausgleich, Wasserhaltung). Mit diesen Funktionen stiftet der Hauptsmoorwald einen wirkungsreichen Beitrag für die Lebensqualität im ganzen Raum Bamberg. Sogar für das sprichwörtlich gute Klima auf den Bierkellern ringsum spielt er eine tragende Rolle. Es sind die besten Gründe, deretwegen der Hauptsmoorwald als Bannwald anerkannt und ausgerufen worden ist. Wer diese Funktionen beeinträchtigt, beeinträchtigt die Lebensqualität der Bamberger und aller Einwohner rundum.

C Parzellierung
Der Hauptsmoorwald ist bereits durch den Bau der A 73 schwer geschädigt worden. Eine zusätzliche Schienentrasse brächte eine Verbreiterung der kaputten Schneise um etwa die Hälfte. Der Verlust der Waldfläche ist der eine Effekt. Ein zweiter nicht weniger gravierender Effekt wird in der Regel vernachlässigt oder ganz übersehen: der Parzellierungseffekt. Für Flora und Fauna haben der Zusammenhang und die Größe von Lebensbereichen eine Schlüsselfunktion für Fortpflanzung und Bestandsentwicklung. Genau dieser Zusammenhang wird durch Schneisen empfindlich gestört; er kann durch Vergrößerung einer Schneise, wie sie hier gefordert wird, ganz zerstört werden. Die lebensfeindliche Wirkung der Autobahn wird durch eine angebaute Schienentrasse vervielfacht.

D Artenreichtum
Was mancher nicht weiß und manche sich nicht einmal vorstellen können: der Hauptsmoorwald birgt, trotz allem breitflächigen Missbrauch, eine artenreiche Fauna, zum Beispiel mit vielen Vogel- und Nachtfalterarten, und er birgt eine besonders reiche Artenvielfalt an Farn- und Blütenpflanzen, an Flechten, Moosen und Pilzen. Sogar ganz seltene oder überall sonst verschwundene Species wie Sandthymian und sprossender Bärlapp, Ohrlöffelleimkraut und Alpenleinkraut bilden treffliche Bestände. Sie alle sind in höchstem Maße schutzwürdig. Sie unter einer Verkehrstrasse zu begraben, wäre ein durch nichts wieder gut zu machender Frevel an der Biodiversität unseres Landstrichs.

Die Schäden, die eine zusätzliche Trasse im Osten anrichtet, sind immens, für uns heute und für die kommenden Generationen. Niemand kann es verantworten, solche Schäden anrichten zu lassen. Eine Ostumfahrung darf es nicht geben.

Meinungsumfragen

Die Schäden, die eine Ostumfahrung anrichten würde, sind bisher nicht betrachtet, nicht in der Öffentlichkeit dargestellt und nicht öffentlich erörtert worden. Die Nachteile der Bestandstrasse und die Vorteile der Osttrasse sind vielfach, in vielen Medien und mit viel Lautstärke ausführlich ausgebreitet worden.  Die Nachteile der Osttrasse und die Vorteile der Bestandstrasse sind kaum erwähnt worden. Daher sind bisher erhobene Meinungsumfragen oder so genannte „Abstimmungen“ nicht aussagefähig. Man muss eher vermuten, dass die Schäden, die eine Osttrasse anrichten würde, mit Absicht nicht ins Blickfeld gerückt wurden, um Stimmen für die Osttrasse zu fangen.
Die Behauptung gar, eine dieser Meinungsumfragen sei „repräsentativ“ gewesen, ist aus der Luft gegriffen und bloße Hochstapelei.

Gestern oder Zukunft

Die Bundesregierung ist im gesamten Bahnwesen federführend; sie ist es, die die Entscheidungen trifft. Bisher versteckt sie sich in Sachen Lärmschutz noch immer hinter der Generalkautele Bestandsschutz. Diese billige Taktik erodiert zusehends. Denn die Lärmproblematik wird in immer mehr Städten zum Konfliktstoff, und – wie sollte es anders sein – in immer mehr Städten an bestehenden Trassen. Ihre Anwohner lassen sich immer weniger damit vertrösten, dass für ihren Lärm die Rechtslage bei Einrichtung der Trassen maßgebend sein solle. Die Belastungen haben wir heute, und diese Belastungen müssen weniger werden. Egal welche Farben die Bundesregierung stellen: die Richtlinien für den Lärmschutz werden in absehbarer Zeit statt auf die Lage vor hundert oder hundertfünfzig Jahren auf die Belastungen hier und heute abgestellt werden. Für viele der Städte, die davon profitieren, wird das Modell „Umfahrung dank Flächenfraß“ von vorneherein keine Option sein. Dann geht es gar nicht anders, als den Lärmschutz an der vorhandenen Trasse herzustellen. Das ist die Chance für Bamberg. Denn genau für dieses Megaprojekt kann Bamberg zu einem Bezugspunkt und damit für alle Zeiten berühmt werden: durch ein Projekt „Innovativer Lärmschutz quer durch eine Welterbestadt“. Es kann heute als bundes- und europaweites Leuchtturmprojekt angelegt und beworben werden und Bamberg in den globalen Annalen des Schienenverkehrs verewigen.

Das Modell „Umfahrung dank Flächenfraß“ ist ein historisches Auslaufmodell.
Die Zukunft gehört dem Modell „Innovativer Lärmschutz im Bestand“.

Bamberg muss nur eines tun: zugreifen.

Resümee

Mit Schnellschüssen ist uns nicht weitergeholfen, mit Selbstlob aus dem hohlen Bauch auch nicht. Wir brauchen die qualifizierte Suche nach der besten Trasse. Eine Osttrasse schiebt den Lärm, den die Anwohner der bestehenden Trasse nicht haben wollen, tausenden anderen Anwohnern zu. Sie missachtet den Wert von Grund und Boden heute und für die zukünftigen Generationen; sie missachtet ganz besonders den Wert des Hauptsmoorwaldes. Der tief- und hochbautechnische Preis, den sie beansprucht, steht noch aus. Er kann uns die Haare zu Berge stehen lassen.

Eine Osttrasse, wie sie derzeit propagiert wird, ist die Sankt Florians-Lösung der Innenstadtbewohner. Sie kann nicht die erste Lösung der Bürgerschaft insgesamt sein. Sie heute als „Bamberger Weg“ auszurufen, ist mehr als dreist.

Wer Bamberg und den umliegenden Gemeinden etwas Gutes tun will, geht die bei diesem historischen Riesenvorhaben nötigen Schritte in der vernünftigen Reihenfolge. Die Bestandstrasse sorgfältig auf Ausbaufähigkeit zu untersuchen, ist der erste Schritt; bester Lärmschutz für alle ist das erste Ziel. Der Hauptsmoorwald wird dafür nicht gebraucht.

Grund und Boden sind ein Schatz, und der Hauptsmoorwald ist es noch mehr. Einen Schatz ruiniert man nicht; einen Schatz hegt man und pflegt man. Das ist es, was wir von unseren Vertretern in diesem Vorhaben erwarten und was wir ihnen mit auf den Weg geben:

Schützen Sie Mensch und Umwelt!
Hegen und pflegen Sie Land und Wald!

Martin Wölker
LBV Verband für Arten- und Biotopschutz
Hermann Bösche
Naturforschende Gesellschaft
Dr. Dieter Volk
VCD Verkehrsclub Deutschland

Ein Gedanke zu „Zum Bahnausbau in Bamberg

  1. Es wäre doch wohl der „normale“ und vernünftige Weg neben dem Erhalt der
    Natur ( Hauptsmoorwald ) auch die entstehenden Kosten bezüglich des Aus und Umbaus der vorhandenen Trasse mit denen zu vergleichen die für eine Ostumgehung entstehen.
    Im vertretbarem Fall sollte die Natur immer Priorität haben.Man kann das was
    man anrichten würde falls die Entscheidung zugunsten der Ostumgehung ausfällt
    kaum rechnen und darstellen.Wir vernichten jetzt schon viel zuviel Natur.Den
    Entscheidungsträgern muß man mit Nachdruck und guten Argumenten klar
    machen was für unsere Zukunft wichtig ist.

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