Redaktion
Mit seinen jüngsten Einlassungen zur Gesetzesverschärfung gegen Blasphemie hat der Bamberger Erzbischof Dr. Ludwig Schick ein Thema aufgegriffen, das regelmäßig die Öffentlichkeit berührt, siehe Auflistung in der SZ. „Wer die Seele der Gläubigen mit Spott und Hohn verletzt, der muss in die Schranken gewiesen und gegebenenfalls auch bestraft werden“, sagte der Erzbischof und fügte hinzu: „Wir brauchen daher in unserem Staat ein Gesetz gegen die Verspottung religiöser Werte und Gefühle.“ (Die ganze Pressemitteilung) Innerhalb der katholischen Kirche gibt es Stimmen, die hierauf antworten, dass „man Gott nicht beleidigen kann“ (siehe domradio). In Deutschland ist die Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen dann nach § 166 StGB (dem „Gotteslästerungsparagraphen“) strafbar, wenn sie geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.
In Moskau stehen derzeit drei junge Frauen vor Gericht, wegen Gotteslästerung: die Sängerinnen der Punk-Rock-Band Pussy Riot. Vor einem halben Jahr versammelten sie sich in der wichtigsten russisch-orthodoxen Kirche in Moskau, der Christ-Erlöser-Kathedrale, zu einem Gebet, um die Jungfrau Maria um Erlösung vor Putin zu bitten. (Video). Der Ort des Geschehens war sorgfältig ausgesucht. Die Kathedrale – unter Stalin abgerissen, unter Putin wieder aufgebaut – bildet die symbolische Mitte Moskaus und des Reiches, in leichter Gehentfernung von Kreml und Rotem Platz. Sie betraten dabei den Ambo der Kathedrale, dessen Betreten ohne eine ausdrückliche priesterliche Einladung nicht gestattet ist, und sangen ein „Punk-Gebet“ gegen Ministerpräsident Wladimir Putin und die Vertreter der Russisch-Orthodoxen Kirche – zugegeben in einer schrillen Version, im Altarraum knieten sie, bekreuzigten sich und hüpften im Rhythmus ihres Gesangs (der so ganz anders ist als der getragene religiöse Gesang der russisch-orthodoxen Kirche), trugen ihre selbstgehäkelten bunten Masken zu ihren ebenso bunten Kleidchen.
Als Folge dieser Aktion wurden die drei Mitglieder Nadeschda Tolokonnikowa, Marija Aljochina und Jekaterina Samuzewitsch in Untersuchungshaft genommen. Gegen sie wurde Anklage wegen grober Verletzung der öffentlicher Ordnung (Rowdytum) nach Paragraph 213 des russischen Strafgesetzbuchs erhoben. Im Juli 2012 wurde Anklage erhoben; bei einer Verurteilung drohen den Angeklagten bis zu sieben Jahre Haft.
Der Patriarch der russisch-orthodoxen Kirche, Kyrill I., verurteilte die Aktion als Blasphemie und wertete sie als Teil eines größeren Angriffs auf die Kirche, die von vielen Russen als Bestandteil ihrer nationalen Identität und wesentlicher Teil eines starken Staates gesehen wird. Der Schauprozess führt jüngst drei ernsthafte Frauen vor, zwei davon junge Mütter, hinter Panzerglas in einem Käfig werden sie der Öffentlichkeit vorgeführt.
Zum Olympiabesuch Putins in London veröffentlichten weltweit bekannte Künstler der Musikszene, wie die Red Hot Chili Peppers, Sting, die Pet Shop Boys und Pete Townsend von The Who in der Times einen Aufruf, worin sie Putin zur Freilassung der drei Frauen aufforderten: „Abweichende Meinungen sind ein Grundrecht in jeder Demokratie und es ist vollkommen unangemessen, dass Pussy Riot bis zu sieben Jahre Haft für absurde Vorwürfe drohen.“
Der Chefideologe des Patriarchats, Wsewolod Tschaplin ließ daraufhin verlautbaren, die Protestaktion der Musikerinnen in der Moskauer Erlöserkathedrale sei „sehr dumm und verletzend für die Gläubigen“ gewesen. „Aber es ist auch eine Dummheit, darüber unendlich zu sprechen.“ Kurz zuvor hatte Putin ein mildes Strafmaß geweissagt.
Soweit zu den Blasphemie-Diskussionen unserer östlichen Nachbarn. Weithin wird angenommen, dass sich die Äußerung des Bamberger Erzbischofs auf den vorletzten Titanic-Titel beziehe. Dieser zeigt den Papst mit einem Fleck auf der Soutane. Das Landgericht Hamburg hat die weitere Verbreitung des Titelfotos verboten und bei Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld angedroht. Dagegen hat die „Titanic“ Widerspruch eingelegt, über den noch entschieden werden muss.
Vielleicht bezog sich Schick allerdings auf die Kritk des Präses der Evangelischen Kirche am Chef der US-amerikanischen Großbank Goldman-Sachs, Lloyd Blankfein, der die Arbeit der Banken als „Gottes Werk“ bezeichnete, in 2009 (siehe EKiR).
Was unser Bischof völlig übersieht ist, dass seine weitreichenden Forderungen – Schutz aller Glaubenszeichen – nicht nur seiner Kirche, sondern allerhand religiösen, pseudoreligiösen und fundamentalistischen Gruppierungen zupass kämen, beispielsweise Salafisten, Jehovas-Zeugen oder Scientology.
Zusammen mit der Beschneidungsdebatte nach dem Kölner Urteil könnte hier eine Diskussion losgetreten werden, die fundamentale Grundwerte unserer Verfassung in Frage stellt: Beschneidung von Mädchen mit den bekannten Folgen, Sorgerechtsentzug für Scientology-Aussteiger, wenn das andere Elternteil in der Sekte bleibt, Mundtotmachen von Kritikern im Namen der Religionsfreiheit…
Wacker wacker, in Bamberg ist was los! Noch ein schönes, besser: endlich auch in Bamberg streitbares Thema (leider aber eben immer wieder nur für Bamberger Minderheiten?!) . Unserem Erdbeerschorsch sei „höchster“ Dank! Und ebenso der BOZ, dass sie sich reingewagt hat in das Dickicht des Allerheiligsten wie zB der Glaubensunwägbarkeiten. Was für ein gigantomanisches „Sommerloch“ in der BOZ! Wirklich und ehrlich: toll und „Chapeau“ (Hut!! oder so ähnlich…) für den Aufgriff dieses Themas in unseren allerheiligsten Gefilden.
Die Gelegenheit war günstig: der liebe Herr Schick will offenbar noch Karriere machen, wo?: beim summus episcopus ecclesiae ortodoxae moscovitae (und/oder gar unter Putin?) oder in der echten Siebenhügelstadt? (für die falsche hats ja schon übermäßig gereicht). Nachtigall… Die Zeichen dafür stehen in der Tat nicht schlecht. Unserem Herrn Neu-Oberdogmatiker Müller also ins göttlich-glaubenskongregationale Ohr ?!
Selbst schon ganz verwegene Islamvertreter sind ob des Einwurfs aus Bamberg begeistert. Auch stellt sich unser schicke Schorsch mutig sogar gegen die eigene Sippschaft, die wacker behauptet, „dass man Gott nicht beleidigen kann” (wirklich allerhöchste Achtung!).
Ja, was also nun eigentlich? Ist ja wie in der CSU oder CDU oder SPD oder egal…, wo auch jeder mal was sagen darf, besonners im Sommerloch, Hauptsache die wählerfreundliche“„ Meinungsvielfalt“ bleibt angesprochen. Das hat leider immer noch nachhaltig was!
Zu wünschen bleibt nun keinesfalls., dass der öffentliche Frieden in Bamberg gestört wird, damit dieser hl. 166 StGB („Gotteslästerungsparagraph“) greifen kann. Das wäre ja wie im fundamentalen Islam, wo die lebenslängliche Ächtung (Fatwa) für Gotteslästerung ansteht (vgl. u.a. Sir Salman Rushdie).
Unser Herr Erdbeerschorsch also in „bester“ Gesellschaft?!
Selbst Putin bittet ja mittlerwile in seiner unendlichen Güte um ein mildes Urteil der Gotteslästerer der Band Puusy Riot.
Der liebe Gott lässt in seiner unendlichen Güte den Agnostizismus, den Atheismus und auch vieles Andere zu.