Von Musicouskuß
Plötzlich war er wieder da, einer dieser nahezu magischen Momente des Glücks und der Erfüllung, wie sie sich einstellen, wenn alles stimmt, was ja, Gott oder wem auch immer sei‘s gedankt, bei den Rosengarten-Serenaden häufiger der Fall ist. Über den Dächern der Residenz leuchtet der Halbmond. Der Eröffnungssatz von Ludwig van Beethovens G-Dur-Streichtrio op. 9 Nr. 1 ist soeben verklungen, da setzt, präludierend zum Adagio ma non tanto, lautstark und selbstbewusst („Ich dürfte doch wohl die bessere Musikerin sein, stehe jedenfalls den Symphonikern in nichts nach.“) eine Amsel ein. Mag sein, dass sie in die Noten geschaut hat, denn auf das „ma non tanto“, nicht zu sehr, folgt ja noch ein „e cantabile“, voller Gesang also, beseelt. Und wer könnte schöner singen als Turdus merula, die Schwarzdrossel alias Amsel.
So gibt sie auch so schnell nicht Ruhe, so flechtet sie ihre Motive und Themen in den ruhig dahinfließenden Neunachteltakttriolen-Strom. Man sagt der Amsel nach, sie sei besonders kreativ in der „Erfindung, Kombination und Variation von Motiven“. Freilich gilt das – und ganz besonders im Opus 9, mit dem er der Gattung Streichtrio neue, ans Symphonische gemahnende Bahnen eröffnet – auch für Beethoven; und auf Violine, Viola (ein willkommener Fremdling im Rosengarten, auch Veilchen dürfen hier) und Violoncello aufs Schönste zu singen, darauf verstehen sich Mayra Bugdagjan, Yumi Nishimura und Eduard Resatsch nicht minder. Beispielsweise in den wogenden Triolen dieses Adagios. Mit feinem Portato gestaltet Bugdagjan die ersten beiden Triolen aus, hält dann auf ihrer aus der neapolitanischen Werkstatt von Nicola Gagliano stammenden Geige (1786) ganz leicht agogisch verzögernd inne, um vom zweiten Achtel der letzten, also der dritten Triole an einen Legato-Abgesang anzustimmen, der vom zweigestrichenen gis hinunter zum eingestrichenen fis reicht. Dieses kantable Legato nehmen Nishimura und dann Resatsch kurz auf, der sehr genau zwischen Crescendo und Decrescendo zu differenzieren weiß. In der Pianissimo-Stelle (Takt 19) hat dann wieder Frau Amsel ihren großen Auftritt. Wer nun schöner gesungen hat, mögen andere Besucher – es waren an diesem feinen Spätjunisommerabend nicht wenige – entscheiden.
Begonnen hatte die dritte Rosengarten-Serenade der Jubiläumssaison mit Mozarts Es-Dur-Divertimento. Die Köchel-Nummer 563, entstanden im Wiener Spätsommer 1788 und Mozarts Freimaurerlogenbruder und Geldgeber Johann Michael Edler von Puchberg gewidmet, wird allenthalben als Meisterwerk gefeiert. Warum das so ist, und zwar völlig zu Recht, führte das EMY-Trio in jedem der sechs Sätze musikantisch vor. Ohne den Anspruch an Kammermusik von Belang aus dem Blick zu verlieren oder gar ins Alltäglich-Seichte abzudriften, atmet das Divertimento doch einen durchaus unterhaltenden Charakter. In diesem Ambiente, zwischen Rosen, historischem Gemäuer, Halbmond und Amsel, machte es sich sehr gut. An so einem Sommerabend sowieso.
Übrigens dauerte es drei satte Tage und Nächte lang mit wenig Schlaf (aber nicht des Grübelns wegen), bis uns aufging, woher der Name des Trios rührt. Mit dem homophonen Londoner Plattenunternehmen hat er natürlich nichts zu tun; vielmehr setzt sich EMY aus den Vornamensinitialen der drei Streicher zusammen, cellist, for once not ladies, first. Das EMY-Trio ist nur eines von etlichen Ensembles der Bamberger Symphoniker, in welchen die Bayerischen Staatsphilharmoniker der kammermusikalischen Feinarbeit frönen. Freilich ein ganz besonderes. Auf (baldiges) Wiederhören!
NB: Eduard Resatsch kann man bereits heute Abend von 20 Uhr an wieder lauschen. Dann steht im Rosengarten der zweite Teil der „Farben des Sommers“ an. Er spielt zusammen mit seiner Frau, Nadine (Oboe, Englischhorn), auch eine Eigenkomposition, eben die „Farben des Sommers“. Außerdem Mozart, Bach und dessen Zeitgenossen, Johann David Heinichen.