Das kommt mir NICHT chinesisch vor

Von You Xie

Chinesische Schrift

 

Familienstamm Xie:文君浓应举雄才位居南邦任大臣朝廷国以奇天王乃士德明渊源自晋盛于东

渡名贤经济博学诗赋。

in 56. Generation = Sheng, 57. = Yu, 58. = Dong, 59.= Du, 60. = Ming, 61.= 贤Xian, 62.=Jing, 63. = Ji, 64. = Bo, 65. = Xue, 66.= Shi, 67. = Fu.

Auf Einladung des Schulleiters der Mittelschule Ebelsbach Herrn Wolfgang Grader habe ich einen Vortrag zum Thema Chinesische Sprache und Dialekte auf dem „China-Tag“ am 22. Dezember 2015 abgehalten.

Die chinesische Umgangssprache besteht eigentlich aus einer Vielzahl von Dialekten, die sich teilweise so stark unterscheiden, dass ein Chinese aus Peking sich mit einem Einwohner Guangzhous im Süden manchmal nur schwer verständigen kann.

Das einigende Element des chinesischen Kulturraums ist nicht die chinesische Sprache sondern die chinesische Schrift. So ist es kein Wunder, dass z.B. im chinesischen Fernsehen (abgesehen von Live-Übertragungen) normalerweise chinesische Schriftzeichen als Untertitel gesendet werden.

1955 wurde in der Volksrepublik das sogenannte Mandarin „Putonghua“ zur offiziellen Amtsprache erklärt. Es ist eine Sprache, die auf dem „Beijinghua“, dem Peking-Dialekt basiert. Junge Chinesen lernen Mandarin in der Schule.

Die chinesische Sprache, zumindest ihre Grundzüge sind nicht besonders schwierig zu erlernen. Die Grammatik der Sprache ist relativ leicht verständlich, es gibt keine Deklinationen oder Konjugationen, d.h. man muss nicht wie im Deutschen Tabellen mit unterschiedlichen Wortendungen auswendig lernen.

Die eigentlichen Schwierigkeiten, die die chinesische Sprache ausmachen, bestehen in den 4 Tönen, dem Erlernen der chinesischen Schriftzeichen und in der großen Anzahl von (vor allem von gebildeten Menschen gerne benutzen) Sprichwörtern. Diese chinesischen Sprichwörter bestehen meistens nur aus wenigen Zeichen. Hinter Ihnen steht aber eine ganze Geschichte, die man kennen muss, um den Sinn eines Satzes richtig zu interpretieren.

Die chinesische Schrift ist die älteste Schrift der Welt, die heute noch verwendet wird. Bereits vor 4000 Jahren wurden chinesische Schriftzeichen auf Orakelknochen oder Schildkrötenpanzern verwendet. Ca. 1,5 Milliarden Chinesen (VR China, Taiwan, Auslandschinesen in den USA, Singapur usw.) verwenden heute diese Schrift, also ca. ¼ der Menschheit.

Seit der Reichseinigung in der Qin-Dynastie entwickelte sich die Schrift zu dem einigenden Element für China. Obwohl es viele chinesische Dialekte gab, die sich teilweise sehr stark unterscheiden und die gesprochene Sprache im Laufe der Jahre Veränderungen durchmachte, war die Schrift in allen Reichsteilen gleich. Dadurch, dass sich die Schrift nicht wie das gesprochen Chinesisch veränderte, da die chinesische Schrift vom Gesprochenen Chinesisch unabhängig ist, ist es heute noch möglich, mit Kenntnis der Schriftzeichen Werke zu lesen, die vor 2000 Jahren geschrieben wurden.

Man schreibt in der Volksrepublik China Kurzschriftzeichen und nicht mehr von oben nach unten und von links nach rechts sondern wie mit lateinischen Buchstaben waagerecht und von links nach rechts. In Taiwan wird diese Reform nicht durchgeführt, d.h. dort wird immer noch mit den klassischen chinesischen Schriftzeichen geschrieben.

Die chinesische Schrift ist kein Lautalphabet sondern besteht aus Schriftzeichen, die die Bedeutung eines Wortes symbolhaft, unabhängig von der Aussprache ausdrücken. Deshalb wurden Umschriften geschaffen, um die Aussprache der chinesischen Schriftzeichen darzustellen. Die heute offizielle Umschrift der chinesischen Schriftzeichen ist die Pinyin-Umschrift, basierend auf Mandarin, der von der Volksrepublik China eingeführten Hochsprache.

Um chinesische Schriftzeichen am Computer zu schreiben, verwendet man natürlich keine Tastatur mit tausenden von Tasten. Die Eingabe erfolgt vielmehr mit der normalen Tastatur und der Pinyin-Umschrift, bzw. in Taiwan mit der „zhuyin“-Umschrift.

Man gibt also die Aussprache eines Zeichens mit der Standardtastatur ein, dann erscheinen in einer Leiste alle Zeichen, die diese Aussprache haben. Unter den Zeichen steht dann eine arabische Ziffer, die man dann eintippen muss, um zwischen den Zeichen das richtige auszuwählen. Dies hört sich kompliziert an, man gewöhnt sich allerdings sehr schnell daran. Außerdem stehen häufig gebrauchte Schriftzeichen an vorderer Stelle, so dass die Eingabe genauso fließend geht, wie bei einem deutschen Text.

Wie viele Zeichen muss man kennen, um eine chinesische Zeitung lesen zu können? Und wie viele Schriftzeichen gibt es eigentlich?

Chinesische Schulkinder lernen heute ca. 3.000 Schriftzeichen in den ersten 6 Schuljahren. Dies genügt zum Lesen von Büchern und Zeitungen. Chinesen, die mehr als 1.500 Schriftzeichen beherrschen, gelten nicht als Analphabeten. Gebildete Chinesen beherrschen ca. 6.000 Zeichen. Wenn man die 3500 am häufigsten gebrauchten Zeichen lernt, kann man immerhin ca. 99,7 % eines Textes lesen.

Die genaue Anzahl der chinesischen Schriftzeichen änderte sich. Das älteste chinesische Wörterbuch „shuowen jiezi“ 《说文解字》(Erklärung der Schriftzeichen) aus dem Jahr 121 n. Chr. enthält 9353 Schriftzeichen. Das Kangxi Cidian 《康熙字典》(18. Jahrhundert) das in der Zeit der Qing-Dynastie verfasst wurde, enthält fast 47.035 chinesische Schriftzeichen. Das „hanyu da cidian“ 《汉语大字典》 (Großes Chinesisches Wörterbuch) von 2010 umfasst ebenfalls ca. 60.370 Schriftzeichen. Und das „Zhonghua Zihai“ 《中华字海》hat 85.568 chinesische Schriftzeichen.

Zwischenfrage: „Gibt es auch Dialekte in China?“

Ja, leider sterben Dialekte in China aus.

Die chinesische Sprache verfügt über unzählige Dialekte. Viele von ihnen drohen, komplett zu verschwinden. Tausende Variationen der chinesischen Sprache werden in der großen Nation gesprochen. Es ist sehr schwer, die Dialekte gegen das Verschwinden zu bewahren.

Man muss nach Freiwilligen suchen, die selbst Geschichten erzählen und um andere Geschichtenerzähler zu finden und aufzunehmen, vor allem ältere Personen. Man kann auf diese Weise ein Archiv ausbauen und lokale Sprache bewahren.

Hakka-Dialekt, Min-Dialekt, Wu-Dialekt, Xiang-Dialekt, Gan-Dialekt, Kantonesisch und Jin-Dialekt sind die großen Dialekte in China. Während China besonderen Wert auf Mandarin legt, das in öffentlichen Schulen verpflichtend ist, sterben viele Dialekte aus. Sprache ist unglaublich interessant und die meisten Menschen gehen durchs Leben und sprechen sie perfekt, ohne je darüber nachzudenken. Man kann jeden Dialekt aus irgendeiner kleinen Stadt nehmen und es wird eine lebenslange Komplexität geben, von der man lernen kann, und es wird sich immer verändern, sodass man nie das Ende erreichen wird.

Viele Dialekte sterben aus, da nur Senioren wissen, wie man einige von ihnen spricht. Die Dialekte werden aussterben, wenn die Senioren sterben. Ich habe den Wunsch, Dialekte zu bewahren.

China mit seinen über 1,5 Milliarden Menschen ist eher ein Kontinent als ein Land – dies zeigt schon die Vielfalt der Sprachen. Im südlichen China fürchten nun die Menschen, dass ihre Sprache Kantonesisch bald vom Mandarin verdrängt werden könnte.

In Guangzhou gingen am 17.8.2010 über 1000 meist junge Leute auf die Straße: Sie protestierten gegen Pläne der kommunistischen Partei, in lokalen Fernsehstationen von Kantonesisch auf Mandarin umzusteigen. Guangzhou ist Dialekten gegenüber toleranter als etwa Shanghai. Kantonesisch ist in Radio und Fernsehen noch erlaubt. Die meisten Stationen senden in Kantonesisch, ebenso die im benachbarten Hongkong. Die Zentralregierung hat versucht, die Zahl der Programme mit Dialekt zu verringern. Peking ist überzeugt, dass Mandarin ein wichtiges Instrument für die Einheit des Landes ist. Muttersprache ist es für knapp 800 Millionen Chinesen.

Die Kindergärtnerinnen sprechen Mandarin, und die Eltern zu Hause auch. Immer mehr Menschen unterhalten sich in Mandarin. Es sieht so aus, dass die meisten Dialekte unnötig seien.

Aber um die chinesische Sprache zu erforschen, sind Dialekte unerlässlich. Ohne sie gehen die letzten Beweise verloren. So hatte etwa die Sprache, in der die Gedichte der mittelalterlichen Tang-Dynastie geschrieben wurden, viele Reime. Sie haben auch im Kantonesischen überlebt.

Dass Dialekte in China aussterben, will ich nicht nur die kommunistische Regierung kritisieren. Mütter, Medien und Mobilität sind Hauptgrund, warum Dialekte sterben. In der ganzen Welt ist es ähnlich.

Weltweit gibt es unfassbar viele Sprachen, auch in Deutschland werden über 50 verschiedene Dialekte gesprochen. Doch einige davon sind vom Aussterben bedroht. Heutzutage sprechen viele Menschen nicht mehr nur ihre Muttersprache, sondern dazu noch zwei, drei oder noch mehr Fremdsprachen, vor allem in Europa. In einer zunehmend globalisierten Welt verständigt sich derzeit etwa die Hälfte der Weltbevölkerung in 19 Sprachen. Auf Platz 1 liegt Chinesisch (Mandarin), das von knapp 1,5 Milliarden Menschen gesprochen wird. Mit deutlichem Abstand folgen Spanisch (400 Mio) und Englisch (335 Mio). Deutsch als Muttersprache (78 Mio) liegt auf Rang 12.

Etwa 70 bis 90 Prozent der insgesamt existierenden 6.500 Sprachen werden wohl bis zum Ende des 21. Jahrhunderts aussterben.

Seit den 80er Jahren wird Mundart mit niedrigem Bildungsniveau gleich gesetzt. Deutsche Kinder sollten Hochdeutsch und Englisch lernen, um in der modernen Welt bestehen zu können. Bei Chinesen ist die Situation auch so: Hochchinesisch und dann Englisch.

Viele Eltern bringen ihren Kindern Mundart nicht mehr bei. Dialekt wird nach und nach aufgegeben werden, weil man ihn für die Kommunikation nicht mehr braucht. Die Menschen im Alltag sind in einer mobilen, von Medien geprägten Gesellschaft. Alltag gestaltet sich nicht nur an Orten sondern auch in der zunehmenden Mobilität zwischen ihnen. In einer mediatisierten Gesellschaft betreffen dabei Medien nahezu alle Bereiche des Handelns. Mobil zu sein gilt zum einen als erstrebenswert, denn es ermöglicht die Teilhabe an gesellschaftlichen Geschehen. Eine zunehmende Mobilisierung kann jedoch ebenso als Bedrohung zum Aussterben der Dialekte gesehen werden.