Wie gut ich integriert bin

Von You Xie

You Xie VolkstrauertagNach dem Festgottesdienst der 62. Sankt Heinrichskirchweih 2015 sagte Heinz Kuntke, der Vorsitzende des Bürgervereins Bamberg-Ost: „ Wir heißen You Xie, den fränkischen Chinesen sehr herzlich willkommen!“

Perfekt! Gut formuliert! In eine angemessene sprachliche Form gebracht!

Mit den Freunden auf der Heinrichskerwa sagte ich: „Ich bin nicht integriert, ich bin ein fränkischer Chinese. Eine Integration braucht drei Generationen. Mein Sohn ist ein chinesischer Franke, seine Kinder könnten fränkische Franken sein.“

Eine Bloggerin schrieb mir: „Verehrter Herr Xie, danke für den Artikel: Ich bin ein Bamberger. Mich beeindruckt Ihre ethische Grundlage, die Heimat zu verteidigen. Ich freue mich, dass Sie als Chinese Deutscher geworden sind. Sie beschämen uns – ohne Besserwisserei – mit Ihrer Überzeugung, was ein Bürger seiner Heimat schuldet. Und was ein Migrant tun sollte, sich hier zu integrieren. Das ist eine Botschaft, die jeder verstehen und als Auftrag wahrnehmen sollte. Danke für die Veröffentlichung dieses so gar nicht ,schreierischen‘ Artikels. Er kommt leise daher, seine Botschaft ist aber laut und deutlich. Viel Glück für Sie und Ihre Familie im schönen Bamberg.“

Zum Schluss schrieb sie: „Wer wagt es zu behaupten, dass wir Ausländer nicht mögen? Es gibt Gott sei Dank noch mehr solche Ausländer wie Herrn You Xie. Ich kenne auch einige.“

Für mich geschieht eine Integration durch Leistung: Menschen, die rechtmäßig in Deutschland leben, sollen an dem, was sie in der Bildung, im Beruf und im Ehrenamt leisten, gemessen werden und nicht an ihrer Herkunft. Dies erfordert jedoch verstärkte Bemühungen der zu integrierenden Ausländer und ein klares Bekenntnis zu deutscher Rechts- und Werteordnung.

Deutschland ist gut für mich, das Leben hier ist beschaulicher als in China, hier komme ich zu mir und kann mich konzentrieren.

Manchmal bin ich mit Fremdenfeindlichkeit konfrontiert, mit Fehleinschätzungen und dem Gefühl, auf Grund meines fremdländischen Aussehens wie ein Idiot behandelt zu werden. Doch ich halte nichts von Verallgemeinerungen. Wenn man mir negativ begegnet, gehe ich davon aus, dass es mit meiner Persönlichkeit zu tun hat und nicht mit meiner Heimat. Überzeugen kann ich mit Charakter: Ich bin ich. Ich bin verantwortlich für meine alte und neue Heimat.

Was ist mir fremd in Deutschland? Mir ist es unverständlich, wie deutsche junge Mütter mit ihren zweiwöchigen neugeborenen Baby im Kinderwagen sparzieren gehen können. Genauso, wie es mir unverständlich ist, dass Abtreibung, Familienplanung und Geburtenkontrolle durch die kommunistische Regierung verordnet werden können.

In der Süddeutschen Zeitung fand ich am 19. März 2014 einen Artikel: ,,Stadtrat mit chinesischen Wurzeln – Der Glückskeks“ von Katja Auer. Ich habe online eine Lesermeinung gelesen, die mich nachdenklich stimmte. Es war: Don Loewi 19.3.2014 | 15:48 Uhr ,,Ich bin schon froh, dass ich als Ausländer in der CSU und im Stadtrat bin”, sagt er.

Soweit hat man es in Deutschland gebracht, dass sich Staatsbürger weiterhin als „Ausländer“ definieren. Kein Wunder, wo wir doch so perfekt im Kategorisieren und Erfinden von Ausgrenzungsterminologie wie „Migranten“, „Zugewanderte“ und „Migrationshintergrund“ sind. Und die „Rechtspopulisten“ betonen ja auch leiernd immer wieder, dass diese Leute ja „nur den deutschen Pass besitzen“ und „keine echten Deutschen“ seien. Wir grenzen alle neuen Bürger aus und indoktrinieren sie, um ja nie zu vergessen, dass sie in Wirklichkeit nicht zu uns gehören. Da helfen weder CSU-Mitgliedschaft noch Stadtratsposten.

Nachdem ich (You Xie) diese Kommentare gelesen habe, denke ich nach: Wer ist „Wir“? Wer ist Ausländer? Warum gehören sie in Wirklichkeit nicht zu den „normalen“ Deutschen? Wie könnten sie zu den Deutschen gehören? Muss ich Deutscher werden?

Chinesisches Träumen in Bamberg

Ich denke, ich träume chinesisch.

Ein Wahlkampfspruch von mir lautet: „Ich bin ein Bamberger!“ Ich kann doch zwischen Wahlkampf und Wirklichkeit sehr gut unterscheiden: Aber natürlich bin ich kein Bamberger. Ich versuche, einer zu werden. Die Bamberger zu kennen und zu verstehen, ist nicht so einfach, 28 Jahre sind dafür einfach zu wenig. Das braucht drei Generationen. Meine Enkelkinder würden – sofern in Bamberg geboren und aufgewachsen – als echte Bamberger durchgehen.

Ein Kommunikationswissenschaftler versteht den Spruch sofort, wenn er ihn gelesen hat. Natürlich ist You Xie kein Bamberger, er versucht immer noch, ein Bamberger zu werden oder als Bamberger anerkannt zu werden.

Es ist klar, ich bin kein alteingesessener Bamberger. Und wer ist ein alteingesessener oder ein altansässiger Bamberger? Laut meiner kulturellen Beobachtung ist jemand ein Bamberger, wenn er seit drei Generationen in Bamberg lebt, schon sein Großvater in Bamberg geboren wurde und seine Familie noch immer in Bamberg lebt.

Gerade weil ich selbst Germanist und Schriftsteller bin, ärgert es mich, dass ich noch immer nicht gut genug Deutsch spreche, um präzise auszudrücken, was ich empfinde, die bedeutungsschweren Feinheiten und Nuancen zu nutzen, die eine Sprache bietet. Mir fehlen das fließende Sprechen, der klare Ausdruck, so einfache Dinge, wie im Buchladen zu sitzen und stundenlang zu schmökern.

Ein integrierter Mann schafft das meines Erachtens. Ich beherrscht das leider noch nicht.

Und wie kann ich ein Bamberger werden oder als Bamberger anerkannt werden? Chinesisch: „rù ɡuó wèn jìn, rù xiānɡ suí sú“ (入国问禁, 入乡随俗。) Es gibt eine schlechte englische Übersetzung: „When in Rome do as the Romans do.“ Als chinesischer Germanist interpretiere ich den Satz so: Unbedingt die Gesetze und Vorschriften in deinem neuen Land einhalten; unbedingt die Sitten und Bräuche in deiner neuen Gemeinde beachten.

In Bamberg ewig ruhen

Ich bin mit leeren Händen gekommen und habe jetzt fast alles. Ich beanspruche nichts von meiner neuen Heimat, nur einen Platz für mein Grab, wenn ich in Bamberg sterbe.

Die Bürger, die sich in ihrer Heimat wohlfühlen, identifizieren sich mit ihr. Es ist ihre Heimat – genauso wie ihre Nation, ihr Vaterland und ihre Sprache. Heimatliebe ist ein Ausdruck bürgerlichen Wohlbefindens und einer Nationalverbundenheit. Die Sehnsucht nach Heimat und die Liebe zur Heimat – beide sind so menschlich wie der Mensch selbst.

Seit 2010 habe ich die deutsche Staatsangehörigkeit, sehe ich mich als Pflicht jedes Jahr an der Gedenkstunde zum Volkstrauertag teilzunehmen. Die Stadt Bamberg gedenkt in einer Feierstunde am Volkstrauertag vor dem Ehrenmal im Friedhof an der Hallstadter Straße der Opfer der beiden Weltkriege, der Heimatvertreibung und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.

 

Wenn Integration in Deutschland gelingen soll, dann muss den Zuwanderern ein klares Integrationsangebot aufgezeigt werden. Nicht nur das Grundgesetz und deutsche Gesetze, sondern vielmehr auch deutsche Werte, Überzeugungen, Bräuche und Leitkultur. Da ist die Grundlage des Integrationsangebots. Dieses Angebot ist die Voraussetzung dafür, dass die Zuwanderer zu uns gehören.

3 Gedanken zu „Wie gut ich integriert bin

  1. (…) Es gibt eine schlechte englische Übersetzung: „When in Rome do as the Romans do.“(…), schreiben Sie in Ihrem Artikel, lieber You Xie.

    Ich habe mir erlaubt und den Google-Übersetzer auf das Chinesische „angesetzt“:
    入国问禁, 入乡随俗。- Einwanderung und Verbote, wie die Römer.
    rù ɡuó wèn jìn, rù xiānɡ suí sú – Jin Wei ɡuo Befürchtung, Furcht vor tiger sui xianɡ

    Ich habe da so eine Idee, wie Sie sich von „jetzt auf gleich“ zu 110% integrieren könnten: stolz auf das Bamberger Rauchbier sein, es jedem, der Bamberg besucht von ganzem Herzen empfehlen. – Und eine Einladung auf ein Rauchbier höflich aber bestimmt mit den Worten „also ich selber mag Rauchbier ja nicht so…“ ablehnen.

    Also: When in Bamberch do as the Bambercher do. – Will heißen: stolz aufs Rauchbier sein, es selbst aber nicht mögen.

    Wenn ich wieder mal in Bamberg bin und Sie zufällig sehe, werde ich mir erlauben, Sie auf ein Rauchbier einzuladen – dann werden wir ja sehen :-)

    Hoffentlich übersetzt Google „Prost!“ richtig.
    Prost! – 普羅斯特!(traditionelles Chinesisch)
    Prost! – 普罗斯特!(vereinfachtes Chinesisch)
    Das einfache scheint für Franken auch nicht einfacher zu sein, als das traditionelle – von der Aussprache mal ganz zu schweigen ;-)
    Aber Bier brauen, das können sie, die Franken!

  2. Herzlichen Dank! Herr oder Frau Ferenc!

    Konfuzianismus ist keine Religion. Ich bin ein Konfuzianist, ich bin ein Christ, ich versuche ein Bamberger zu werden.
    Zu Sprache: Ich habe keine Fähigkeit, Nuancen zu nutzen. Mein Sohn ja. Seine Kinder werden es im Blut haben. Umgekehrt auch so: Meine Enkelkinder sprechen vielleicht kein Chinesisch mehr. Mein Sohn spricht Chinesisch, aber er kann nicht mehr schreiben.
    Sitten und Bräuche im öffentlichen Raum zu beachten. Ich bewahre auch die Grundwerte vom Konfuzianismus weiter.
    Herzliche Grüße
    You Xie

  3. Zwei Anmerkungen seien mir gestattet:

    Die Feinheiten einer Sprache zu beherrschen, ist alles andere als einfach. Insofern kann ich nachvollziehen, daß Herr You Xie eigene Defizite, die er in seinen Deutschkenntnissen erkannt zu haben glaubt, bedauert.

    Doch sollte dies kein Grund sein, in tiefe Trauer zu verfallen. Selbst viele Muttersprachler haben hier Probleme – und sehen sie nicht, wollen sie nicht sehen. Wie anders wäre zu erklären, daß viele Politiker erfolgreich inhaltsleere Worthülsen um sich werfen, daß eine Vielzahl Journalisten, ohne auch nur ein Wort zu hinterfragen, unsinnige, zum Teil leicht erkennbar sachlich falsche Aussagen und Behauptungen von Politikern, Behörden und starken Interessensgruppen wiedergeben, daß Demagogen wie die Pegida-Verantwortlichen, leider aber auch führende Personen aus demokratischen Parteien mit einfachen, doch unsinnigen Parolen Anhänger um sich scharen?

    Herr You Xie schreibt, es sei unverzichtbar, die Gesetze und Vorschriften im neuen Land einzuhalten, die Sitten und Bräuche in der neuen Gemeinde zu beachten. Grundsätzlich stimme ich dem zu. Doch sollten nicht alle Wurzeln der eigenen Herkunft über Bord geworfen werden. Schließlich ist zivilisatorischer Fortschritt eng mit kulturellem Austausch verbunden, mit gegenseitiger Bereicherung. Darauf zu verzichten, ließe die Menschheit geistig verarmen.

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