Bayerlein-Bilder im Sitzungssaal des Rathauses – Wissenswertes zu dieser Kunst und ihren Voraussetzungen

von Dipl.-Psych. Heinrich Schwimmbeck
Bamberg Bild von Bayerlein im Ratssaal, Rathaus Maxplatz. Foto: Erich Weiß

Bamberg Bild von Bayerlein im Ratssaal, Rathaus Maxplatz. Foto: Erich Weiß

Seit einiger Zeit ist die Bamberger Stadtverwaltung damit befasst, die beste Verfahrensweise mit den Bildern des Malers Fritz Bayerlein zu finden, die seit dem Jahr 1937 die Sitzungen des Bamberger Stadtrates im Rathaus begleiten.

Eine Grundvoraussetzung für eine Verfahrensweise, die diesen Bildern gerecht wird, ist muss das Wissen um die Kunst im Nationalsozialismus allgemein, über das Kunstschaffen des Malers Bayerlein im speziellen, und um die politische Einordnung der Person des Malers sein.

Der nachfolgende kurze Abriss stellt einschlägiges Wissen und Information darüber zur Verfügung.

Kunstschaffen in der Zeit des Nationalsozialismus

Das Kunstschaffen von Fritz Bayerlein in der Zeit des Nationalsozialismus war ganz eng mit der Ideologie dieser Zeitperiode verbunden. Das kann fast nicht anders sein, denn zum Wesen dieses totalitären Systems gehörte auch, dass die zugrundeliegende Ideologie systematisch alle Lebensbereiche erfasste, darunter auch jegliches kulturelle Schaffen.

So war auch der Kultur in dieser Zeit eine bedeutsame politische Funktion zugewiesen. Für den weitgehendsten Einfluss der Führerschaft auf die Kunst (und die Nutzung der Kunst für die Ideologie) sorgte unter Federführung von Adolf Hitler, Joseph Goebbels und Alfred Rosenberg die „Reichskulturkammer“. Dieser waren alle untergeordneten politischen Instanzen bis hinein in die lokalen Organisationen weisungsgebunden. Das Kulturschaffen, zumindest bestimmter künstlerischer Richtungen, nahm einen großen „Aufschwung“, die Aufträge wurden zentral von oben erteilt. So mussten z.B. alle mit dem Straßenbau befassten Firmen auf Anweisung Hitlers Autobahnbilder aus der Reihe „Die Strassen Adolf Hitlers“ erwerben.

Der Malerei war vor allem die Funktion zugedacht, die nationalsozialistische Weltanschauung bildnerisch darzustellen und sichtbar zu machen. Als Themen erfreuten sich der „heimische Boden“ und „die pflegenden Kräfte der Natur“ großer Beliebtheit. 40% der Bilder, die in den nationalistischen Münchner Kunstausstellungen dieser Zeit (den „Großen Deutschen Kunstausstellungen“, GDK) gezeigt wurden, waren Landschaftsbilder. Romantisch dargestellte Landschaften sollten das deutsche Ideal ohne trübende Aspekte der Wirklichkeit veranschaulichen und die Blut-und-Boden-Ideologie des Nationalsozialismus zum Ausdruck und unters Volk bringen. Blut-und-Boden-Ideologie ist, kurz zusammengefasst, folgendes irrsinniges Postulat: Ein „gesunder Staat“ kann nur auf der Einheit von „eigenem Volk“, also „Blut“ (d. h. einer einheitlichen Rasse), und „eigenem Boden“ beruhen. Mit der Forderung der „einheitlichen Rasse“ verbindet sich und entfaltete sich u.a. ein weitreichendes und verbrecherisches antisemitisches „Programm“, mit der Beanspruchung „eigenen Bodens“ wird auch die Landnahme im Osten durch die rassische Höherwertigkeit des Deutschen, der arischen Rasse, gerechtfertigt. Das sind die Botschaften, die mit diesen lieblichen und anheimelnden Bildern ausgesendet werden sollten und ausgesendet wurden. Auch mit den 3 Bildern, die hier und heute zur Debatte stehen.

Kunstschaffen, das nicht dem nationalsozialistischen Programm diente und dienen wollte, wurde erschwert, marginalisiert und dem Hohn und der Verachtung ausgesetzt. Letzteres fand zugespitzt in der Münchner Ausstellung des Jahres 1937 statt. Dort wurde sogenannte „Entartete Kunst“ aus dem gesamten Reichsgebiet ausgestellt und als geschmähte Kunst dem ideologiekonformen Kunstschaffen gegenübergestellt, welches zeitgleich in der „Großen Deutschen Kunstausstellung“ (GDK) präsentiert wurde. Fritz Bayerlein war mit seinen Werken immer in der GDK vertreten, sein Schaffen war ausgesprochen ideologietauglich. Dies wird auch in seiner Ernennung zum „Professor für Malerei“ attestiert, die durch Adolf Hitler persönlich im Jahre 1939 erfolgte. Dies Auszeichnung war ja vorgesehen für Künstlerpersönlichkeiten, die sich „auf ihren Fachgebieten besonders hervorgetan hatten“, sie setzte aber darüber hinaus eine „politisch einwandfreie“ Persönlichkeit nach der Maßgabe des nationalsozialistischen Regimes voraus.

Fritz Bayerlein war wie geboren für diese Art und Richtung der landschaftsmalenden Kunstausübung. Zum einen verfügte er über ausnahmehafte rezeptive, handwerkliche und technische Fähigkeiten in diesem Genre – schon weit vor der Zeit des offenen Nationalsozialismus. Zum anderen passte Bayerleins Schaffen insofern hervorragend in die Zeit, als er sich nicht an der Ideologie störte, deren Verbreitung er damit diente. Das ist dem entstandenen Werk selbst nicht auf Anhieb anzusehen, sondern wird erst im Lichte des Wissens um die Entstehungs- und Verbreitungshintergründe sichtbar. Die ideologiekonforme Gesinnung des Malers offenbart sich unzweifelhaft in seinen geschriebenen Äußerungen.

Bayerleins politische Gesinnung im Lichte seiner „Lebenserinnerungen“

An solchen geschriebenen Äußerungen liegen uns vor allem seine etwa 60-seitigen „Lebenserinnerungen“ vor, die Bayerlein im Jahr 1955, kurz vor seinem Tod, verfasste. Dort wird offenkundig, dass Fritz Bayerlein sich für seine Kunst und die mit ihr angestrebte Wirkung nicht verbiegen musste, sondern dass er im Gegenteil von Anfang an bis weit über sein Ende hinaus ein überzeugter Anhänger dieser Ideologie war.

Es seien im folgenden exemplarisch 5 unmissverständliche Zitate aus diesen Lebenserinnerungen herausgegriffen, aus denen die antisemitische und nationalsozialistische Haltung des Malers offenkundig wird.

1) Zeitlich nicht exakt zuordenbar, jedenfalls aber in die Zeit noch vor dem Hitler-Ludendorf-Attentat (1923, Gründung der NSDAP: 1920) fällt folgende Erinnerung:

„Eines Tages waren Plakate angeschlagen zu einer Versammlung der nationalistischen deutschen Arbeiterpartei, unterzeichnet mit Drechsler. Juden haben keinen Zutritt. Das war etwas … es trieb mich und meine Frau, da einmal hinzugehen. Es sprach nun ein Herr Hitler, dessen Worte bei den Zuhörern helle Begeisterung hervorriefen. Auch für uns war es besonders tröstend und erhebend, dass er so großes Lob unserem ruhmreichen Heer und seinen Helden spendete, nachdem unsere Soldaten so mit Schmutz beworfen wurden. Für die weiteren Versammlungen, in denen er sprach, war fast kein Saal mehr groß genug, selbst der Zirkus Krone wurde zu klein. Wir traten schon frühzeitig als Mitglieder der Partei bei und oft hörte ich aus seinem Munde, dass er nur der Trommler sein will, um das deutsche Volk aus seiner Lethargie zu erwecken, ganz gleich, ob Deutschland einmal wieder Monarchie oder Republik wird. Das war sein Ziel, das er verfolgen wollte. Dass es anders kam, dafür war er allein nicht schuld, da waren andere Mächte mit im Spiel.“ (Lebenserinnerungen, S. 49/50)

Das Zitat belegt die frühzeitige Mitgliedschaft von Bayerlein in der NSDAP, die er aus Begeisterung und emotional getragen einging und pflegte. Eine antisemitische Einstellung ist aus diesem Zitat erschließbar, wenn es ihm besonders bemerkenswert erscheint, dass „Juden … keinen Zutritt“ zu den Versammlungen hatten und er dies jedenfalls billigte. Im letzten zitierten Satz wird eine Verharmlosung und Leugnung der Verantwortung für das Kriegstreiben der Nationalsozialisten offensichtlich, die sich an weiteren Stellen der Erinnerungen wiederholt, z.B. an folgender Stelle: „Wir [er und seine Ehefrau] wanderten wieder einmal die Nibelungenstraße an der Donau ab und ließen uns in Grein nieder, da brach der Blitzkrieg gegen Polen aus. Er beruhe auf einer Provokation von Polen und wäre in 4 Wochen erledigt gewesen, wenn nicht die anderen alle wieder über uns hergefallen wären.“ (Lebenserinnerungen, S. 56)

2) Eine unverfrorene antisemitische Einstellung Bayerleins wird aus einer zeitlich früheren Stelle in den Lebenserinnerungen sichtbar, nämlich bei seinem Bericht um die Vorgänge bei der Ermordung des ersten Bayerischen Ministerpräsidenten und Sohn eines jüdischen Fabrikanten, Kurt Eisner, durch den Studenten Graf Arco am 21. Februar 1919. Bayerlein ereifert sich zunächst über die von ihm so empfundenen Schikanen der neuen Regierung gegenüber dem Adel, die mit der Ermordung Kurt Eisners ein Ende gefunden haben:

„Da nahm sich ein junger Graf Arco den Mut und knallte mit einem wohlgezielten Schuß den alten Juden nieder.“

Aus diesen Worten klingt mehr als Billigung des Attentats, das Vokabular ist voll des Lobes für den Attentäter. Der Satz liefert, aus Bayerleins Sicht, auch die Rechtfertigung für das Attentat damit, dass der Student „den alten Juden“ niederknallte. Auf diese „Eigenschaft“ und Herkunft des von Bayerlein ungeliebten Ministerpräsidenten wird rechtfertigend zurückgegriffen.

3) Folgende beiden Zitate schildern den Hintergrund des großen Aufschwungs, dass und wie dieser allerdings nur für ausgewählte Künstler galt, wie die massenhaften Kunstaufträge zustande kamen und von wem sie veranlasst waren.

„Im April 1933 kam Hitler an die Regierung und nun kam für uns Künstler ein Aufschwung, wie wir ihn nie mehr erleben werden. Bekanntlich war Hitlers erste Tat, die Autobahnstraßen zu bauen … Nun kam eines Tages Gartenarchitekt Prof. Seifert zu mir mit Dr. Todt, der mir den Auftrag erteilte, nach seinen Angaben ein Bild der Reichsautobahn zu entwerfen. Es folgten dann Aufträge die Baustellen zu malen und die fertigen Straßen im Süden und Norden Deutschlands. Es wurden im Laufe der Zeit immer mehr Künstler damit beauftragt, ich allein hätte es auch nicht mehr schaffen können. Dann wurde eine große Ausstellung veranstaltet mit dem Titel „Die Straßen Adolf Hitlers“. Sämtliche Bilder wurden verkauft, denn auf Veranlassung Hitlers mußten alle großen Firmen die beim Straßenbau beschäftigt waren ein oder zwei Bilder erwerben.“ (Lebenserinnerungen, S. 53)

„Die erste Ausstellung im Haus der Deutschen Kunst stellte Prof. Hommel von der Rezession, Frau Troost, und man wußte nicht wer noch dabei war, zusammen, und darüber war Hitler so entrüstet, dass er nur so tobte und Frau Troost einen Nervenzusammenbruch erlitt. Nun telefonierte Hommel bei mir und verschiedenen bekannten Malern an und erbat Bilder für die Ausstellung … Eines Tages kam Frau Himmler mit einem Berliner Architekten, kaufte ein großes Bild von der Wand meiner Wohnung weg und bestellte ein zweites aus der Holsteiner Schweiz, ihrer Heimat. Für die Automobilausstellung in Berlin hatte ich die Alpenstrasse bei Mauthäusl in der Größe 8 mtr. hoch und 6 m breit zu malen … Der Stadtrat Bamberg bestellte bei mir 2 große Stadtansichten 3x2m für den Sitzungssaal des Rathauses, später noch eins für den Trauungssaal.“ (Lebenserinnerungen, S. 54)

Das Zitat liefert zwar keine detaillierten motivationalen Hintergründe speziell für die Auftragsvergabe der Bamberger Bayerlein-Bilder. Die vom Maler geschilderten Vorgänge lassen jedoch nicht erwarten, dass eine Bestückung des Rathaus-Sitzungssaals aus politisch neutralen Gründen gewünscht oder erforderlich gewesen wäre und die Künstlerwahl „zufällig“ auf Bayerlein gefallen wäre, weil er gebürtiger Bamberger war. Vielmehr ist anzunehmen, dass die Ausstattung des Sitzungssaal, in dem der nationalsozialistische Bamberger Stadtrat tagte, auf Weisung von oben oder zum Gefallen bei den Oberen mit diesen Bildern erfolgte. Und dass das Regime die Absicht verfolgte, dem Rat mit diesen Bildern das übergeordnete nationalsozialistische Programm ans Herz zu legen.

4) Es wurde oben bereits erwähnt, dass die Werke Fritz Bayerleins bei den regimegetreuen „Großen Deutschen Kunstausstellungen“ der Jahre 1937 bis 1944 Eingang fanden, denen im Jahr 1937 in der Ausstellung der „Entarteten Kunst“ das vom Regime verachteten Kunstschaffen gegenübergestellt war. In den „Lebenserinnerungen“ lässt Bayerlein dem Leser an seiner Schadenfreude über die verhöhnte Kunst teilhaben:

„Vor Eröffnung der ersten Ausstellung im Haus der Deutschen Kunst wurden die modernsten Auswüchse der Kunst gesammelt und mit dem Titel „Entartete Kunst“ ausgestellt als Gegenstück zur anderen Ausstellung. Das Publikum amüsierte sich köstlich dabei und man kann sich denken, dass die Hersteller dieser „Kunstprodukte“ wütend waren und die Ausstellung im Haus der Deutschen Kunst schlecht machten so viel sie nur konnten, aber es nutzte nichts, der Andrang war so gewaltig, das die Ausstellung manchmal vorübergehend gesperrt werden mußte bis wieder etwas Luft war …“ (Lebenserinnerungen, S. 56)

5) In der Rezeption und Bewertung dieser Lebenserinnerungen von Fritz Bayerlein darf nicht außer acht gelassen werden, dass er die Memoiren erst im Jahr 1955 verfasste. Also 10 Jahre nach der Befreiung von der Nazi-Herrschaft, 10 Jahre, die im Rückblick das gesammlte immense Leid sehen ließ, das die nationalsozialistische Diktatur mit Millionen Kriegstoten und Millionen ermordeten Juden hinterließ. Bayerlein blieb jedoch bis zuletzt seinem nationalsozialistischen Credo treu, wie aus seiner Bemerkung zu den stattgefundenen Entnazifizierungs-Bestrebungen hervorgeht:

„1945 zogen die Amerikaner ein, sie nannten es ,Befreiung‘, nun wenigstens hörten die Bombenangriffe auf. Dann folgte sie sogenannte Entnazifizierung, wofür ich 7000 Mark zahlen mußte, aber trotzdem kein Demokrat wurde. Man kann seine Gesinnung nicht von heut auf morgen wechseln wie das Hemd …“ (Lebenserinnerungen, S. 62)

Nach eigener Einstufung war Fritz Bayerlein also bis zu seinem Tode „kein Demokrat“. Er hielt an „seiner“ Gesinnung fest, die nach den aufgeführten Zitaten – stellvertretend für viele weitere Zitate in den „Lebenserinnerungen“ – offensichtlich nur eine nationalsozialistische Gesinnung gewesen sein kann.

Bamberg, am 7.10.2014

4 Gedanken zu „Bayerlein-Bilder im Sitzungssaal des Rathauses – Wissenswertes zu dieser Kunst und ihren Voraussetzungen

  1. Lass mer doch die Kirch im Dorf:
    Olympiastadion Berlin, Finanzministerium Berlin = ehemals Reichsluftfahrtministerium, Autobahn Saalebrücke Rudolphstein oder auch inzwischen Brücke der Deutschen Einheit genannt, Erweiterungsbau des Reichspropagandaministeriums = heute Bundesgesundheitsministerium in Berlin, Haus der Kunst in München, „Führerbau“ am Königsplatz in München,
    Wehrkreisdienstgebäude in Kassel = heute Bundessozialgericht, Burg Feuerstein – Laboratorium für Hochfrequenzforschung = heute Jugendherberge……….

  2. Der Kultursenat hat in seiner Sitzung am 8. Oktober 2015 gegen zwei Stimmen der GAL beschlossen, die Bilder von Fritz Bayerlein, einem mindestens NS-Regimekonformen und vom damaligen Regime hofierten Künstler, im Großen Sitzungssaal des Rathaus Maxplatz hängen zu lassen. So wie sie seit 1937 dort hängen – nur jetzt neu: Kommentiert mit einer Informationstafel.

    Es mag nicht „state of the art“ sein, Bilder aus der NS-Zeit abzuhängen und in die Archive zu verbannen, sie zu verstecken und eine Auseinandersetzung damit zu verhindern. Damit bin ich einverstanden. Wir brauchen – heute vielleicht mehr denn je – die öffentliche Auseinandersetzung mit der damaligen Zeit und auch mit dem Erbe dieser Zeit, welches immer noch teils unhinterfragt in unserer Stadt stehen und hängen darf.

    Diese Debatte um das kommentierte Ausstellen nationalsozialistischer Künstler dreht sich aber um Museen und um den öffentlichen Raum. Dies sind die richtigen Orte an denen eine Auseinandersetzung geschehen kann und soll. Die Bilder um die es hier geht, hängen jedoch in einem Saal, in dem heute unter völlig anderen staatlichen Vorzeichen Entscheidungen getroffen werden als dies 1937 ff. der Fall war, als die Bilder unter der Bürgermeisterschaft von Lorenz Zahneisen (NSDAP, SA) gekauft und aufgehängt wurden.

    Ein solcher Sitzungssaal ist nicht der geeignete Ort, um sich mit der dort hängenden Kunst auseinanderzusetzen, auch wenn sich manche Blicke der Gremienmitglieder und des Publikums immer mal wieder in der romantisch überhöhten Darstellung der Bamberger Landschaft verfangen. Ein öffentlicher Ort, an dem man sich – in einen größeren Kontext gesetzt – mit der dort hängenden Kunst auseinandersetzt, ist der Sitzungssaal jedoch nicht. Wir fällen in diesem Saal demokratische Entscheidungen – immer noch begleitet von nationalsozialistischer Kunst. Daran einfach nur festzuhalten, weil angeblich wissenschaftlich noch nicht hinreichend bewiesen ist, dass Bayerleins Kunst politisch war und weil die Bilder Bamberg zeigen und halt so schön sind, halte ich für verkehrte Nostalgie. Ich möchte nicht, dass demokratische Entscheidungen getroffen werden, unter einer Darstellung Bambergs, die sehr gut in die Kunstvorstellung der Nationalsozialisten passt und eine „auf unvergängliche Werte, Tradition und vorindustrielles Kleinbauerntum gründende Blut- und Bodenideologie“ [1] mystifiziert.

    Tobias Rausch, Sprecher der GAL-Fraktion im Kultursenat.

    [1] https://dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/kunst-und-kultur.html

  3. Vorsicht Falle! dieser Beitrag bedarf der Gegenrede; er geht für aufgeklärte Zeitgenossen ins Leere: Zeigefinger, Vergessen und Verbote können wir lang nicht mehr gebrauchen; wir brauchen endlich eine offensive, keine erneut romantisch verklärte Auseinandersetzung mit dem NS, so auch beim Thema Bayerlein in Bamberg;

    der Beitrag will offensichtlich das Abhängen der Bilder betreiben; sie sind gut gemalt; darüber ist in diesem Beitrag aber wohlweislich (oder aus Unvermögen) nicht die Rede; auch diese Bilder müssen offenbar einfach künstlerisch nur schlecht sein, das gebietet die (Schein-) Moral;

    wie schon Hitlers Aquarelle, die auch ewig schlecht sein mussten, um damit das ganze peinliche Thema schnell wieder ad acta legen zu können; wie viele Deutsche haben wie AH gemalt und/oder finden diesen Stil bis heute einfach „schön“!; wie viele brüllenden Hirsche hängen immer noch in gemütlichen deutschen Wohnzimmern?, auch gut gemalte;
    Bayerlein Bilder und Themen haben erstmal nichts mit der/seiner persönlichen Übereinstimmung mit dem NS zu tun; Bilder und Person zu verknüpfen grenzt an demokratische Profilneurose;

    einfach mit Abhängen, dh Geschichtsklitterung ist unser NS Problem nicht gelöst;
    auch ein/das Abhängen in dieser Situation wäre eine politische Aktion!, die es (hoffentlich) unsere Nachfahren zu werten wissen werden, wie wir mit dem NS auch noch 70 Jahre danach umgingen;
    Verarbeitung, dh Bewältigung von Geschichte sieht anders aus als es sich dieser „Beitrag“ allzu simpel erhofft; wir brauchen keine neuen Bilderstürmer oder selbsternannte altbackene Saubermänner; auch nicht solche, die damit ihr/ein altes Süppchen neu aufkochen möchten;

    die Bilder müssen natürlich hängen bleiben dürfen, gegen die aufgesetzten Moralisten und natürlich gegen die rein Unverbesserlichen (sic);

    es braucht eine demokratisch-offensive Kommentierung zB in Form einer öffentlichen Erklärung usw., aber grad keine neuen unter-den-Teppichkehrer; unsere all so demokratische Gesellschaft sollte es mittlerweile aushalten und dagegen angehen können; oder etwa doch immer noch nicht?

    schon das (ab 2016 endlich auslaufende) „Mein Kampf“- Verbot der Vergangenheitsvertilger war nur ein großes aktionistisches Feigenblatt gegen Aufklärung, für Unreife, ganz im Sinne der Ewiggestrigen, damit diese (und andere) ihre Mythen weiter spinnen durften und das auch haben;
    von Anfang an brauchte es gleich danach „Mein Kampf“ in den Schulen, um besser zu verstehen und nicht weiter bayerisch oberlehrhaft zu vertuschen; die in Kürze erscheinende krit. Mein-Kampf-Ausgabe ist endlich der demokratische Gegenbeweis gegen späte bürgerliche Aufregung und gebetsmühlenartige moralinsaure Vertuschungsversuche u.a. auch der hiesigen sog. „Opposition“;

    dasselbe gilt natürlich für die weiter zum Glück hilflosen NPD Verbotsversuche; sind also etwa die Deutschen (und Bamberger) doch nicht so demokratisch reif für den Umgang mit dem NS, wie sie sich alltäglich sonntags gern selbst feiern?; der Geschichte endlich nicht durch Abhängen sondern durch Aufklärung und mutig offene demokratische Auseinandersetzung zu begegnen!

    P.S. nur soviel für die Dauermißversteher und Hüter der Scheinmoral: das alles hier hat nichts mit NS Affinität, gar Verherrlichung etcetc zu tun, genau das Gegenteil ist nämlich der Fall!

  4. Die „Causa Bayerlein“ ist ja beileibe nichts Neues. Die etwas älteren unter uns können sich vielleicht noch erinnern: Am 21. Mai 1993 veröffentlichte der – leider nur kurzlebige – „Fränkische Merkur einen Artikel mit der Überschrift „Nazi-Altlast“ im Bamberger Rathaus“, in dem all diese Fakten veröffentlicht wurden. Die GAL-Stadtratsfraktion stellte daraufhin einen Antrag, die Gemälde Bayerleins aus dem Sitzungssaal entfernen zu lassen. Es gab eine ziemlich hitzige Debatte, in der sich auch der damalige OB Röhner ziemlich unrühmlich hervortat. Der Antrag wurde „natürlich“ abgelehnt.
    Nachzulesen bei Interesse in der GAL-Zeitung Nr. 37/Sommer 1993, S. 1.

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