Dr. Anja Heidenreich
Unter dem allzu treffenden Motto „Jenseits des Guten und Schönen: Unbequeme Denkmäler?“ hatten etwa 500 Interessierte am diesjährigen Tag des Denkmals Gelegenheit, die Bamberger Rundlokschuppen auf dem ansonsten abgesperrten Gelände aus der Nähe zu betrachten. Dabei kamen bei den Teilnehmern, darunter nur zu einem geringeren Teil Eisenbahnenthusiasten und ehemalige Bahnarbeiter, viele Fragen und durchaus Kopfschütteln auf, als sie den Zustand dieser mittlerweile beängstigend morbiden Baulichkeiten unter der Führung des Stadtheimatpflegers Ekkehard Arnetzl am Rande erkunden konnten.
Während sich der aus dem Jahre 1901 stammende westliche Schuppen noch immer im Besitz der Deutschen Bahn befindet, die sich damit den Abriss dieses Einzeldenkmals im Zuge des ICE-Trassenausbaus wohlweislich schon im Vorlauf gesichert hat, wurde der östliche aus dem Jahr 1904 vor nicht allzu langer Zeit an einen privaten Abschleppdienst verkauft, nicht ohne ihn zuvor aus „denkmalpflegerischer Notwendigkeit“ nach jahrelanger Vernachlässigung rückzubauen: Die Einlegung des einstürzenden Flachdaches, die Abnahme der großen eisernen Flügeltüren – diese sind mittlerweile „sachgemäß“ an einer Seitenwand in Wind und Wetter gelagert – und die Abstützung der halbkreisförmig umlaufenden Außenmauern mit großen Holzankern lässt nurmehr ein Skelett dessen übrig, was einst ein emblematisches Industriedenkmal gewesen ist. Geradezu verwundert nahmen die Besucher demzufolge auch zur Kenntnis, dass der große Drehteller von 1929 nach fast zwanzigjährigem Stillstand derzeit sogar noch im gesamten Kreisbogen mit Muskelkraft bewegt werden kann.
Schon vor etlichen Jahren begann die Bahn damit, das Ensemble an verschiedensten Bahnbetriebsgebäuden in der Gundelsheimer Straße und am Kammermeisterweg einzeln zu veräußern. Die jeweiligen Käufer sind damit den Auflagen eines drohenden Ensembleschutzes vermutlich rechtzeitig entkommen. Kaum interessant scheint in unserem mit Einzeldenkmälern reich gesegneten UNESCO-Weltkulturerbe die fundierte Auseinandersetzung mit den baulich durchaus qualitativen Objekten des Industriezeitalters. Neben den Rundlokschuppen befinden sich als Einzeldenkmäler in der Denkmalliste nämlich außerdem die Wagonausbesserungswerkstätten von 1895/96 und 1906, das Büro- und Reservoirgebäude von 1906, das Werkmeister- und Übernachtungsgebäude von 1906, das Pforten- und Badehaus von 1926 und sogar der Bunker (um 1940) nördlich des östlichen Lokschuppens, sowie zugehörige Gleis- und Wartungsanlagen.
Ein großes bauliches Potential mit reizvollem naturnahem Umfeld also, das mit entsprechenden Planungsgrundlagen zu einer echten und nicht zufällig von einigen Privateigentümern und -mietern versuchten (und behördlich begrenzten) Belebung hätte gebracht werden können. Kleingewerbe und kreative Dienstleistungen, vereint mit neuen Formen des Wohnens, sind auch in anderen Städten nur durch das Entgegenkommen und die Förderung seitens der Behörden möglich geworden, siehe Lokschuppen Ausstellungszentrum Rosenheim. Dass „Kreativität“ im Umgang mit diesen aufgegebenen Industrieobjekten in Bamberg aber stets und ausschließlich zu hochpreisigen Investitionsobjekten führt, zeigen die jüngsten Beispiele: Erba, Schaeffler 2.0 und vermutlich auch die lang ersehnten Wohneinheiten auf dem Gelände des ehemaligen Glaskontor.
Kommen wir nun zum östlichen, durch das Holzkorsett „geretteten“ Rundlokschuppen zurück, so ist festzuhalten, dass der private Besitzer in den letzten fünf Jahren bereits verschiedene Ideen zur Nutzung Kund getan hat, sich aber mittlerweile eher für eine (Gewinn bringende?) Nicht-Nutzung entschieden zu haben scheint. In Vorbereitung auf die Begehung am Tag des Denkmals wurde nach Augenzeugenberichten tonnenweise Bauschutt entsorgt, um damit Gruben und Schächte, die ja bis zu einem genehmigten Nutzungskonzept denkmalrechtlich geschützte Bestandteile dieses Industriedenkmals sein müssten, zu verfüllen und damit für diese einmalige eintägige Gelegenheit „gefahrlos begehbar“ zu machen. Auch die gleich eines Feigenblatts im Gebäude verbliebene letzte kleine Rangierlok und ein daneben abgestellter VOLVO-Oldtimer können nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch nach dieser Veräußerung eines durchaus im öffentlichen Interesse stehenden Baudenkmals wieder einmal Stillstand eingetreten ist, wo doch alleine schon die Qualität und Einzigartigkeit dieser Anlage Anreiz zu kreativen Visionen hätte sein müssen und für einige Ideengeber über die Jahre auch tatsächlich war. Dabei reich(t)en die Vorstellungen und Nachfragen interessierter Investoren schon vor über 15 Jahren so weit, dass mit dem damals vorgelegten Nutzungsplan und Businesskonzept problemlos ein wirtschaftlicher Kulturbetrieb mit mehreren Einzelbereichen möglich gewesen wäre. Das (direkt an der Bahntrasse!) von der Stadt Bamberg penibel ausgelegte Lärmschutzgesetz (Lärmbelästigung durch die abfahrenden Autos der Kultursuchenden) war damals offizieller Grund, dem Projekt keine Chance zu geben. Sogar als Wikipedia-Eintrag findet sich der lakonische Hinweis „Pläne, den Rundlokschuppen II einem kulturellen Zweck zuzuführen, konnten nicht umgesetzt werden“.
Stadtplanung wäre gefragt
Auch im Moment schiene dennoch nicht alles verloren, wenn die Stadt Bamberg einmal mehr erkennen würde, dass positive Stadtentwicklung nicht auf dem freien Markt zusammengeschustert wird, sondern in den Büros gut ausgebildeter und mutig-kreativer, überparteilicher Akademiker als Stadtplanung stattfinden muss. Mit dem Neubau des großen Studentenwohnheims im nördlichen Teil der Brennerstraße sitzt nun ein großer Baukomplex auf dem grünen Felde, der diese sensible Übergangszone zwischen Stadt und historischem Umland/Gärtnerland auf die eine oder andere Weise – und hoffentlich nicht nur baulich – prägen wird und eine Umwidmung des Flächennutzungsplans (oder Bauleitplan??) in eine vermehrt am Menschen und an der Lebensqualität in unserer Stadt orientierten Denkweise mehr als rechtfertigt. Dieser durch die Bamberger Gärtner traditionell besetzte Randbereich darf nämlich nicht weiter einer Zersiedlung durch neue Asphalttrassen und Ansiedlung von häßlichen Gewerbebauten geopfert werden, wie es in Richtung Berliner Ring und Börstig schon lange erfolgt ist. Als Naherholungsraum und grüner Puffer ist ihm mehr als zu wünschen, dass zukunftsorientierte Wohnkonzepte und die Ansiedlung von kleinteiligen Gewerbehöfen hier eine echte Insel der Seeligen entstehen lassen.
Immerhin 5 Jahre nach Veröffentlichung entdecke ich diesen Artikel über das ehemalige Bahnbetriebswerk Bamberg und möchte einige Zusatzinformationen geben.
Bereits 2004 hatte ich einen Kontakt zur damaligen „DB Immobilien GmbH“ im Bundesbahndirketionsgebäude in Nürnberg geknüpft. Nach einem kurzen Schriftwechsel erhielt ich einen Besprechungstermin in Nürnberg. Ich wußte, daß das Gelände des Bamberger Betriebswerkes bis auf kleine Teile im östlichen Bereich keine betriebliche Nutzung durch die DBAG mehr erfuhr und konnte vortragen, daß ich bereit wäre, die erübrigten Betriebsflächen einer eisenbahnhistorischen Nutzung zuzuführen. Zu diesem Zeitpunkt waren beide Lokschuppen mit den Drehscheiben sowie einige Nebengebäude noch unzerstört, das Gelände war noch nicht überwachsen, Gleise lagen noch, eine Netzanschlußweiche war vorhanden. Auf Rückfrage, wie ich ein solches Projekt tragen wolle teilte ich mit, daß ich den Erwerb zunächst privat vorfinanzieren und im Anschluß einen Trägerverein zum Erhalt und Ausbau des Geländes gründen wollte. Auf weitere Rückfrage teilte ich mit, daß eine künftige Nutzung zu einem Teil ein Eisenbahnmuseum werden solle. In Kooperation mit Eisenbahnvereinen im süddeutschen Gebiet wäre weiterhin eine Unterstellnutzung für historische Eisenbahnfahrzeuge angedacht gewesen. Die Kontakte hierzu hatte ich. Mir wurde mitgeteilt, daß das Gelände derzeit nicht zum Verkauf stünde, ich jedoch im Falle einer Statusänderung informiert werden würde.
Wenige Tage später hatte ich mich weiterhin um einen Termin in der unteren Denkmalschutzbehörde (Stadt Bamberg) bemüht und dort ebenfalls vorgetragen, Interesse am Erhalt des Betriebswerkes zu haben. Man teilte mir mit, daß dies eine Sache der DBAG sei und ein weiteres Interesse seitens der Stadt Bamberg an einem solchen Projekt nicht bestünde. Denkmalschutz sei nicht gegeben.
Im Jahr 2009 erfuhr ich dann sehr überrascht, daß das Gelände zum erheblichen Teil an den Abschleppunternehmer Badum verkauft worden sei. Erfahren hatte ich dies nicht.
Auch mit Herrn Badum nahm ich Kontakt auf und führte mit ihm zwei Gespräche. Auch ihm teilte ich mein Interesse an der Sache mit. Herr Badum ließ erkennen, daß er eine Auto-bezogene Nutzung erwäge und allenfalls für einen hohen 6-stelligen Betrag verkaufen würde. Hiervon nahm ich Abstand, bot aber an, weiterhin für einen Kauf zur Verfügung zu stehen, wenn sich seine Haltung ändern sollte. Ich hörte auch von Herrn Badum nie wieder etwas.
Heute stehen wir dort vor Ruinen, eine Nutzung ist nicht in Sicht.
Da ich als Kind und Schüler oft das Betriebswerk besuchen durfte und nach Anmeldung bei Herrn Winterling die Dampflokomotiven fotografieren dufte, habe ich eine lebendige Erinnerung an dieses Werk. Schon der historische Kontext sollte einen Erhalt der Anlage rechtfertigen.
Der traurige Zustand dieses eigentlich schönen Überbleibsels aus der Dampflokära, aus der Zeit der vorletzten Jahrhundertwende macht mich jedes Mal traurig, wenn ich dort vorbeikomme oder -fahre.
Es muss doch möglich sein, aus dem historischen Rundbau einen Veranstaltungsort zu machen oder alternativ ihn zu Künstlerateliers und Musiker-Proberäumen umzubauen.
Alternative wäre auch ein kleines technisches Museum denkbar, in dem Kinder und Erwachsene etwas über das Zeitalter der Industrialisierung und den Entwicklungen in Bamberg und Umgebung erfahren können.
So einen Ort hat nicht jede Stadt, Bamberg ist schon sehr verwöhnt – und weiß es nicht immer zu schätzen.