Spieltrieb und Stöckelschuh. Ein Sonntagsspaziergang mit dem unlängst verstorbenen Werner Laubscher.

Stolopololpern

Der sononntägägliche
Versullewuhuch
mit Stöcköckelpömömpsen
übüber aneinen
Schototterwegeg
zu wanandeln
endendet alallzu otoft
mit aneinem
langangen
Stolopololpern
mataheist ababer mit aneinem
eschemerherzhataften
Falall
auf die Knieschabeiben
welche anfangangen
zu bulutuluten.
In alaller Regegel
begininnt die Damame dann
escheluhuchzenend zu
oweiahaneinen.

Werner Laubscher

Von Chrysostomos

Stolziert hier eine, oder stolpert sie und stürzt? Dies ist eine der Fragen, die man sich beim Lesen, beim lauten Lesen (schaffen Sie es prima vista ohne sich zu vertun?) von Werner Laubschers Poem stellt. Laubscher? Der Gute war selbst zu Lebzeiten kaum bekannt, jedenfalls nicht oder nur bedingt über seine Heimat, den Pfälzer Wald, hinaus. Dabei war Laubscher auf seine Art einer der Großen im Kreise derer, die da etwa Oskar Pastior heißen, Ernst Jandl, H. C. Artmann, Gerhard Rühm oder Ludwig Harig.

Laubscher war, darin beispielsweise E. T. A. Hoffmann ähnlich, eine Dreifachbegabung: er schrieb, er komponierte, er widmete sich der bildenden Kunst. Geboren wurde er 1927 in Kaiserslautern. Nach der Kriegsgefangenschaft folgte das Studium der Musik, der Geographie und Philosophie, unter anderem in Freiburg, Heidelberg und Mainz. Bis 1991 leitete Laubscher die Realschule in Kandel, hernach erst widmete er sich ganz dem Kreativen.

Das Spielerische, durchaus an Dada erinnernd, teilt sich Laubscher mit Hugo Ball, dem Pirmasenser, der 1916 in Zürich gemeinsam mit Hans Arp und Tristan Tzara das Cabaret Voltaire begründete und dort dem Dadaismus eine erste Bühne schenkte. Anders als Ball aber ist Laubscher nie über die engere Heimat hinausgekommen. In seinen Gedichten bedient er sich zum Teil des pfälzischen Dialekts.

Der Sonntagsspaziergang der Dame in Stöckelschuhen auf dem Schotterweg, und ihr Stolpern dabei, holt „Stolopololpern“ lautmalerisch ins Gedicht. Bewegung wird Klang, und die Pumpsfrau (der Absatz dieser Schuhe, sagt Wikipedia, ist mindestens drei, höchstens neuneinhalb Zentimeter hoch) stolpert, und auch der Leser kommt, angesichts des laubscherischen Spiels mit Rhythmus und Klang, ins Schwitzen zunächst und alsbald ins Stocken, ins Stolpern schließlich. (Nur eine Nora Gomringer nicht; die sollte den Laubscher mal einlesen.) Entstanden ist das Gedicht, wie der Heidelberger Kritiker und Schriftsteller Michael Buselmeier im Jahrbuch der Lyrik 1996/97 (München: C.H. Beck, 1996) erläutert, bei einem Klassenausflug nach Mainz, anno 1987. Dort, schreibt Buselmeier, habe Laubscher die Kinder allein losgeschickt, „setzte sich in das Café am Dom und schüttelte sich die Wörter im Kopf zurecht“.

Vielleicht, so vermutet Buselmeier, „stakste gerade eine Dame auf Stöckelschuhen puppenhaft vorüber, verhakte sich zwischen den Pflastersteinen und fiel theatralisch auf die Knie.“ Der schmerzhaften Beobachtung, oder Imagination, ihres Stolperns entspreche sprachrhythmisch das die Silben verdoppelnde Stottern: „Stolopololpern“. Und am Ende fallen sogar Tränen, denn die Stöckelschuhdame beginnt „escheluhuchzenend zu / oweiahaneinen“.

Am 9. Januar ist der verspielte Sprachmagier Werner Laubscher, dem wir auch einen sich auf Franz Schubert beziehenden Gedichtzyklus („Gasteiner Symphonie“) verdanken, in Landau verstorben. R.I.P.