Noch’n Gedicht? Eine kleine Erinnerung an Heinz Erhardt (1909 bis 1979).

Wer ahnte, daß zum Weihnachtsfest

Wer ahnte, daß zum Weihnachtsfest
Cornelia mich sitzen lässt?

Das war noch nichts: zu Ostern jetzt
hat sie mich abermals versetzt!

Nun freu’ ich mich auf Pfingsten –
nicht im geringsten!

Heinz Erhardt

Von Chrysostomos

Daß man über Gedichte auch lachen darf, ja soll, lauthals, oder schmunzelnd im Mezzopiano in sich hinein, das hat im zurückliegenden Jahrhundert den Deutschen nicht erst Robert Gernhardt beigebracht. Beide kommen sie, der Gern- wie der Erhardt, aus dem Baltikum, Robert aus Reval (auch: Tallinn), Heinz aus dem fast schnurstracks knapp dreihundert Kilometer weiter südlich gelegenen Riga.

Der „Pausenclown der Nierentischära“, wie ihn Heinrich Detering nennt, dieser große Kleinmeister des Komischen in den Wirtschaftswunderjahren, ist bei den Großeltern aufgewachsen, was sich gut machte, denn der Opa war Musikalienhändler und betrieb zudem eine Konzertagentur. Er brachte dem Enkel das Klavierspiel bei (was viele Jahre später unter anderem in dem Gedicht „Ein Pianist spielt Liszt“ sich niederschlagen würde). Fünfzehnmal wechselte Erhardt die Schule, verließ das Deutsche Gymnasium in Riga ohne Abitur, ging nach Leipzig, wo er am arg renommierten Konservatorium Klavier und Komposition studierte.

Im Musikgeschäft des Großvaters, das er übernehmen sollte, war Erhardt wenig glücklich. Stattdessen heimste er erste Erfolge als Komiker ein, 1932 stand er erstmals in einem Lustspiel auf der Bühne, zu welchem er auch die Musik geschrieben hatte. Drei Jahre später heiratete er; seine italienische Frau, Gilda Zanetti, will er in einem Fahrstuhl kennengelernt haben. Willy Schaeffers verpflichtete ihn1938 an das Kabarett der Komiker in Berlin; nach dem Krieg wagte Erhardt in Hamburg einen Neuanfang. Über den Moderator beim Nordwestdeutschen Rundfunk sagte die englische Zensurbehörde: „Sie sind der einzige Deutsche, über den wir lachen können, ohne daß wir ein einziges Wort verstehen!“

Nachdem Erhardt auf den Hamburger Bühnen und andernorts als Theaterschauspieler große Erfolge feiern konnte, folgten von den späten Fünfzigern an begeistert aufgenommene Filmkomödien wie „Der müde Theodor“ (1957) und „Was ist denn bloß mit Willi los?“ vom Sommer 1970, wenige Monate, ehe Erhardt einen Schlaganfall erlitt, der seiner Karriere ein Ende setzte. Aber da waren ja noch die Aphorismen, die Gedichte, die sich seit den Sechzigern bis heute ungebrochen gut verkaufen. Und das will etwas heißen!

Erhardt steht in der Tradition eines Erich Kästner, eines Christian Morgenstern, eines Joachim Ringelnatz und Wilhelm Busch. An Wortspielen sind sie reich, diese Gedichte, auch an rhetorischen Figuren wie der des Zeugmas („Ich heiße Erhardt und Sie herzlich willkommen.“), an ausgefallenen Reimen, an Anspielungen auf den klassischen Kanon. Zu seinem Hundertsten würdigte man ihn – eine seltene Ehre für einen Dichter, Komiker, Musiker, Komponisten, Schauspieler des 20. Jahrhunderts, mit einer 55er Sonderbriefmarke.

Noch’n Gedicht? Bitte sehr:

In nur vier Zeilen was zu sagen,
erscheint zwar leicht, doch es ist schwer!
Man braucht ja nur mal nachzuschlagen:
die meisten Dichter brauchten mehr …

Ein Gedanke zu „Noch’n Gedicht? Eine kleine Erinnerung an Heinz Erhardt (1909 bis 1979).

  1. Am heutigen Pfingstsonntag habe ich mich an „etwas mit Pfingsten“ von Heinz Erhardt erinnert und entsprechend gegoogelt. So kam ich auf diese Seite, die hält, was sie verspricht. Mit der „kleinen Erinnerung“ an den großen Heinz Erhardt bin ich sehr einverstanden. Er gehört neben den ebenfalls erwähnten Erich Kästner, Robert Gernhardt, Joachim Ringelnatz, Christian Morgenstern und Wilhelm Busch zu meinen großen Vorbildern. Ich weiß aus eigener Erfahrung mit der Produktion von sechs Gedichtbänden (die meisten im Schardt-Verlag) wie schwer das Leichte ist und wie leicht man mit dem ohne Rücksicht auf Verluste Gelegenheits-Reime dreschenden Onkel Franz in einen Topf geworfen wird und wie schwer es ist, ausgerechnet Gedichte an Frau und Mann bringen zu wollen. Denn in Deutschland gilt: Lyrik hat unverständlich, nebulös und vertrackt zu sein. Dann wird sie zwar auch nicht gelesen, aber ernst genommen.
    Herzliche Grüße

    Peter Borjans-Heuser

    Kostproben:
    Malte

    Du, ich stehe hier im Zug nach Hagen.
    Wieder ganz gesund. Na Gottseidank!
    Eine Party. Ja. In Hückeswagen.
    Malte wirkte dabei richtig schlank.

    Im Abteil hier riesiges Gedränge.
    Holst Du mich um vier vom Bahnhof ab?
    Ja, die Party zog sich in die Länge.
    Bis sich Malte dreimal übergab.

    Dann war Stimmung. Nö, Verspätung keine.
    Katharina wohnt tatsächlich jetzt in Hof.
    Hier im Zug fühl ich mich so alleine.
    Malte fand ich früher richtig doof.

    Scheiße, ist das laut hier, alle reden.
    Leider nichts zum Sitzen. Rappelvoll.
    Diese Bahn befördert wirklich jeden.
    Malte findet meine Beine toll.

    Was man doch zu Hause einen Mist hat.
    Aber Tanzen auf der Party war schon geil.
    Rate mal, wer mich dabei geküsst hat!“
    „Malte!“ brüllt das ganze Zugabteil.

    Baby

    Ein kleiner Mensch ist auf der Welt.
    Ganz winzig, schwach und neu.
    Er weiß nichts, kann nichts, hat kein Geld
    und brüllt auch noch dabei.

    Er beißt auch seinen Schmusebär,
    steckt alles in den Mund,
    als ob es was zu essen wär.
    Er beißt auch unsern Hund.

    Was will der Hosenscheißer hier?
    Er kann noch nicht mal gehn!
    Der Kleine kennt kein Klopapier
    und scheint nichts zu verstehn.

    Zwar trägt er einen Schlabberlatz,
    doch aufgepasst! Er spuckt!
    Er kann noch nicht mal einen Satz.
    Und guck mal, wie der guckt!

    Er will wohl gar nicht sauber sein.
    Da hat er keine Lust.
    Er kackt in seine Windeln rein.
    Und nuckelt an der Brust.

    Das Menschlein pennt die ganze Zeit
    und schreit, sobald es wach.
    Es kotzt und furzt wie nicht gescheit
    und macht vor allem Krach.

    Es stört der Eltern Wohlergehn
    und bringt sie um den Schlaf.
    Zwar kann er immernoch nicht stehn.
    Da kommt der Fotograf!

    Da wird das Baby fein gemacht.
    Was Warmes an die Füß.
    Da! Unser Baby hat gelacht!
    Ist das süß!

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