Frühlingserwachen, oder doch nicht? Anders als E.T.A. Hoffmann mag Frank Wedekind sein Käthchen nicht bedichten, noch bedenken und beschenken. Nebst einem Hinweis auf eine preiswürdige Lesung heute abend in München.

Mein Käthchen

Mein Käthchen fordert zum Lohne
Von mir ein Liebesgedicht.
Ich sage: Mein Käthchen verschone
Mich damit, ich kann das nicht.

Ob überhaupt ich dich liebe,
Das weiß ich nicht so genau.
Zwar sagst du ganz richtig, das bliebe
Gleichgültig; doch, Käthchen, schau:

Wenn ich die Liebe bedichte,
Bedicht’ ich sie immer vorher,
Denn wenn vorbei die Geschichte,
Wird mir das Dichten zu schwer.

Frank Wedekind

Von Chrysostomos

Die Figur des Käthchen und die Literatur? Da ist, zunächst einmal, selbstverständlich Heinrich von Kleists großangelegtes historische Ritterspiel in fünf Akten, Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe, das seine Uraufführung kurz vor Frühlingsanfang 1810 im Theater an der Wien erlebte. Macht man aus dem Käthchen eine nicht verniedlichte Katharina, ist man schnell bei Heinrich Böll und dessen Erzählung aus dem RAF-Jahr 1974, Die verlorene Ehre der Katharina Blum, die aufzeigt, Wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann.

Zu denken wäre auch an Carl Zuckmayers Volksstück Katharina Knie von 1928. Mischa Spoliansky machte daraus das gleichnamige Musical, uraufgeführt im Januar 1957 im Staatstheater am Gärtnerplatz. Die Baßbariton-Rolle des Vaters Knie spielte Hans Albers. Ein Blick über den deutschsprachigen Tellerrand führt uns zu William Shakespeare. Die Protagonistin von dessen Kommödie The Taming of the Shrew (Der Widerspenstigen Zähmung) heißt Katherina Minola. Cole Porter wiederum hat daraus 1948 das Musical Kiss Me, Kate geschaffen. Die Heldin von Wuthering Heights schließlich (bei uns: Sturmhöhe), Emily Brontës unter Pseudonym veröffentlichten Yorkshire-Moors-Roman, hört auf den Namen Catherine Earnshaw.

Ein Käthchen, das wissen die Bamberger, war verantwortlich für die Flucht E.T.A. Hoffmanns aus der Domstadt vor zweihundert Jahren. Im realen Leben hieß diese – noch sehr junge – Frau Julia Mark. Hoffmann hatte der Tochter der Konsulin Mark Gesangsunterricht gegeben. Er schreibt ihr Etüden auf den schönen Leib, verliebt sich, will ihr mehr beibringen als lediglich das Singen. Um diese Liebe vor seiner Frau zu verheimlichen, nennt Hoffmann in seinen Tagebüchern Julia Käthchen, häufig abgekürzt zu Kthch oder Ktch. Es ist nicht nur der Alkohol, der Hoffmann die Sinne raubt.

Auch Frank Wedekind (1864 bis 1918) war alles andere als ein Kostverächter. Sein lyrisches Alter ego allerdings zeigt sich spröde, spröde zumindest, wenn es darum geht, die vielleicht über eine Affäre hinausgehende Liebe – was sie für Käthchen wohl schon ist, in einem entsprechenden Gedicht zu feiern. Post festum, das ist wahr, und auch postcoital, läßt sich schwer dichten. Zumindest nicht allzu leichten Herzens. Darauf machte sich, und so doch auch Käthchen, Frank Wedekind so seinen Reim.

NB: Ein aktueller Nachtrag noch zu dem Bericht über den Literarischen März. Die drei frischgekürten Preisträger lesen heute abend im Lyrik Kabinett München (Amalienstraße 83, Rückgebäude), von 20 Uhr an. Freuen Sie sich auf einen Abend mit der Gewinnerin des Leonce-und-Lena-Preises 2013, Katharina Schultens (ein weiteres Käthchen?), und auf die beiden Träger des Wolfgang-Weyrauch-Förderpreises, Uljana Wolf und Tobias Roth.