Urbane Plaudereien – Bonjour tristesse

Peter von Liebenau

Paris. Die Seine – – Die Kamera schwenkt übers Häusermeer, nimmt das Gesicht der Stadt in die Totale, sie zeigt, wie die Insel von Notre Dame den Fluss teilt. Hohe gotische Türme. Diese unglaubliche Poesie. Wunderbar weit, offen liegt alles da, dort sind doch die Bouquinisten! Daneben ein paar Maler, Schiffe, der Eiffelturm, Bäume, ein Liebespaar.

Es ist Sommer im Jahre 1954. Ein Schwelgen in Helligkeit und Verträumtheit liegt über der Stadt der Liebe, aber sie kann – wie ganz Europa – nicht mehr ganz glücklich sein. Manche fliehen in die noch mehr glühende Sonne des Südens, ans Mittelmeer, wo Albert Camus die „Hochzeit des Lichts“ feiert.

Françoise Sagan schreibt in diesem Jahr ihren Roman „Bonjour Tristesse“, der zum Weltbestseller wird, aber gleichzeitig wütende Proteste hervorruft. Vor allem die prüde amerikanische Kritik verreißt die Ausschweifungen der siebzehnjährigen Cécile, die zwischen Paris und der Riviera ihre erotischen Neigungen ohne moralische Bedenken erfüllen möchte. In der Verfilmung von Otto Preminger singt Juliette Gréco in einem Pariser Jazzkeller das wunderbare Lied über die begrüßte Tristesse nach einem Gedicht von Paul Éluard.

Auch an tristen Wintertagen gehen wir urbanen Bamberger an der Regnitz entlang, sehen zu, wie die Insel des Alten Rathauses den Fluss teilt, auf der Oberen Bücke ein Antiquar seine Buchständer herausschiebt und auf der anderen Seite des Geyerswörthstegs ein Maler seine Staffelei aufstellt. Im Café lesen wir deutsche und französische Gedichte.

Am Abend setzen wir unseren Weg durch die Sandstraße fort, der Blick fällt wie immer auf die Türme der Klosterkirche von Sankt Michael. Dann tauchen wir wie Cécile hinab in den Jazzkeller. Eine Band lässt den mitreißenden Rhythmus und die blue notes eines Standard durchlaufen und legt ein atemberaubendes Solo nach dem anderen drüber. Dann kommt ein sehr langes Stück. Ein langsamer, bluesiger Rhythmus. Ruhig zupft der Bass. Sie steigern sich. Das Schlagzeug setzt mehr Becken ein. Da! eine Sängerin taucht auf, ganz in Schwarz. Noch werden die Regler hochgefahren – plötzlich bricht die Lautstärke ein; die Stimme hebt an, dunkel, bannend, melancholisch. Alle hängen an ihren Lippen. Sie erzählen von Sommer, Liebe, Glück, Traurigkeit.

Adieu tristesse

Bonjour tristesse