Bamberger Stadtrat: Ist das noch repräsentativ?

Redaktion

Kommunalwahlen also Stadtratswahlen und Bürgermeisterwahlen sind Persönlichkeitswahlen, so wird es immer gern von den Kommunalpolitikern unters Wahlvolk gebracht. Und durchaus hilft die persönliche Bekanntheit bei den Wählern viel. Vielleicht hat man das eine oder andere geleistet und steigt somit in der Gunst der Wähler. Oder man tut sich in anderen Sparten hervor, z.B. im Sport, in der Kultur, bei der Feuerwehr oder anderswo.

Aber das Setzen auf die Persönlichkeit kann ein Schuss nach hinten sein, die Parteien stehen oder standen bisher für eine bestimmte politische Richtung, die der Wähler gerne vertreten sehen will und deren grundsätzlichen Ziele er von der „Persönlichkeit“ verwirklicht wissen will. Natürlich kommt es immer wieder mal vor, dass sich einzelne Abgeordnete mit  Kollegen streiten, ein Verharren in der Fraktion kontraproduktiv wäre oder sich bei zentralen politischen Themen andere Meinungen herauskristallisieren. Aber das ist Teil der Demokratie und findet am besten in einer öffentlichen Diskussion statt. Dann würden sicherlich viele Bürger die Motivation des Einzelnen verstehen und vielleicht auch würdigen. Doch eine öffentlich geführte Diskussion findet in Bamberg eher nicht statt – der Oberbürgermeister verhandelt bevorzugt wichtige und interessante Themen hinter verschlossenen Türen. Das mag erstmal Entscheidungen befördern, ist aber auf lange Sicht unklug. Selbstbewusste Wähler lassen sich das nicht lange gefallen – und Mandatsträger auf lange Sicht auch nicht. Die zahlreichen Wechsel innerhalb des Stadtrats sind ein beredtes Beispiel hiervon. Von Einzelfall kann man in Bamberg nicht mehr sprechen – eine heftige Rochade setzte ein und bringt das Fraktionsgefüge kräftig durcheinander. Und natürlich bringt es auch den Wählerwillen durcheinander, denn die Bürger haben Persönlichkeiten mit politischen Meinungen verbunden und sie in diesem Zusammenspiel in den Rat gewählt.

Seit der Wahl am 2. März 2008 ergaben sich folgende Veränderungen:

  • Dr. Franz-Wilhelm Heller für die CSU seit 1996 im Stadtrat verlässt diesen im November 2009.
  • Wolfgang Metzner für die GAL gewählt, seit Mai 2010 bei der SPD und seit Oktober 2012 sogar deren Fraktionsvorsitzender. Als Jugendlicher bei der JU.
  • Daniela Reinfelder für die CSU gewählt, seit Juli 2011 fraktionslos.
  • Norbert Tscherner, Christina Keidel, Barbara Blecha, Eddy Weiß und Matthias Alt bildeten anfangs den Bamberger Bürgerblock (BBB), die letzten vier seit November 2011 die Fraktion Für Bamberg (FB), seitdem ist Tscherner fraktionslos.
  • Gaby Seidl, als einzige FDP-Stadträtin schloss sich in einer Fraktion mit den Bamberger Realisten zusammen. Anfang November 2012 trat sie aus der FDP und Ende Januar 2013 aus Fraktion der Bamberger Realisten aus, um ihr Wohl bei der CSU zu finden.
  • Anfang November 2012 trat Sabine Sauer aus SPD und SPD-Fraktion aus und sitzt seitdem als fraktions- und parteiloses Mitglied im Stadtrat.
  • Zum 1. Februar 2013 wechselt der Fraktionsvorsitzende der Bamberger Realisten Klaus Stieringer in die SPD-Fraktion.
  • Der verbliebene Bamberger Realist, Michael Bosch, bildet notgedrungen mit den Freien Wählern zum 1.2.2013 eine gemeinsame Fraktion, um nicht fraktionslos zu sein.

Dies bedeutet als Folge eine Neuberechnung der Senatssitze. Die vier fraktionslosen Stadtratsmitglieder teilen sich die dadurch entstehenden freien acht Sitze. Und zwar durch Losverfahren. Am 30. Januar 2013 zog die Glücksfee Herbert Lauer, Alt-Oberbürgermeister und Ehrenbürger der Stadt Bamberg, folgende Lose:

  • Personalsenat: Daniela Reinfelder
  • Bau- und Werksenat: Norbert Tscherner.
  • Finanzsenat: Daniela Reinfelder.
  • Konversionssenat: Sabine Sauer.
  • Umweltsenat: Sabine Sauer.
  • Kultursenat: Sabine Sauer.
  • Familiensenat: Norbert Tscherner.
  • Feriensenat: Sabine Sauer.

Das sind 11 von 44, also 25 %. Jeder vierte Rat orientiert sich neu. Ist das üblich? Repräsentiert das noch den Wählerwillen?

Zu guter Letzt bittet der fraktionslose Stadtrat Gilbert Blechschmidt aus gesundheitlichen Gründen von seinem Ehrenamt als Stadtrat entlassen zu werden. Nachfolgerin wird höchstwahrscheinlich am 27. Februar 2013 die Listennachfolgerin der Republikaner, Frau Gabriele Mielke.

Ein Gedanke zu „Bamberger Stadtrat: Ist das noch repräsentativ?

  1. Danke für die erkenntnisreiche Aufschlüsselung des munteren Treibens im Ratssaal. Am Rande habe ich diese Wechselspielchen schon mitbekommen, aber sie in ihrer ganzen Tragweite zu sehen, ist doch überraschend und auch schockierend.
    Wann findet denn die nächste Stadratswahl statt?

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