Unbrauchbar für die Frankfurter Anthologie und auch noch verständlich! Hans Benders Gedichte protestieren still. Dem Großmeister der kleinen Form lauschen wir gern.

Vergeblicher Protest

Ich protestiere.
Keiner stimmt mit ein.
Spreche ich zu leise?
Ich will nicht schrein.

Hans Bender

Von Chrysostomos

Die ihm gemäße Form hat Hans Bender, 1919 im Kraichgau geboren, im Vierzeiler gefunden. Es ist eine knappe, an den Haiku gemahnende Form, zugleich aber, wenn diese vier Verszeilen gelingen, was oft genug der Fall ist, eine große Kunst, der nachzuhorchen sich lohnt. Das geht schnell; doch Gott – oder wem auch immer – sei Dank wirkt Bender lange nach, bleibt haften. Kleine Solitäre sind das, Preziosen, vergnüglich zu lesen oft, aber auch besinnlich und nachdenklich stimmend (über das Elend in der Welt, über das traurige Lied vom Leid der Neunzigjährigen). Wenn die Gedichte funkeln, dann blitzen eben auch die Augen der Leserin. Bei Bender, dem späten zumal, ist das der Fall.

Gemeinsam mit dem Oberpfälzer Walter Höllerer (1922 bis 2002) begründete er im Jahr des Fußballwunders von Bern die noch heute führende Literaturzeitschrift hierzulande, Akzente, hat sich als Herausgeber von Lyrikanthologien, als Verfasser von Kurzgeschichten, die in Schulbüchern ubiquitär sind, hervorgetan. Apropos Fußballwunder: Dem Kraichgau-Club TSG Hoffenheim (Herbstmeister 2008) widmet Bender gleich zwei Gedichte, dem „jungen Busen“ der „hübschen Mezzosopranistin“, mehr zu ahnen als zu sehen, nur ein einziges, dabei aber einzigartiges.

Den von der Darmstädter Jury im Mai 2009 zum „Buch des Monats“ gekürten Letzten Gedichten seines Freundes Michael Hamburger (Lyriker, Übersetzer, Pomologe auf seinem Cottage Marsh Acres, an der englischen Ostküste am Rande des Dörfchens Middleton/Suffolk gelegen) wünscht Bender eine „viel längere Dauer“. Die knappe Lyrik des lange schon in der Kölner Taubengasse lebenden Homme de lettres wird bleiben, das steht außer Frage. Seine „letzten, schönen / Gedichte“ sind – wie die von Bender besungenen „Buckower Elegien“ Bert Brechts, so weise angelegt mit „monatlichen Blumen“ (den Rosen Gottfried Benns etwa), daß sie „vom März bis zum Oktober blühen“. Und, wenn man sie nur wässert, mit wachen Augen, weit darüber hinaus. Mögen es nicht die letzten sein. Schön sind sie allemal. Oder etwa nicht?

Gegenseitig

Die dich umsorgen sind
manchmal schwer zu ertragen.
Es kann jedoch sein, daß
sie von dir dasselbe sagen.

Ja, ja, das Alter. Und die Weisheit, die Geistesblitze, die in ihm aufscheinen. Dem bescheidenen Hans Bender (bereits 2009, in dem Band Wie es kommen wird, behauptete er mit leiser Ironie, aber mehr als einem Funken Wahrheit, von seinen Gedichten, sie seien „Unbrauchbar / für die Frankfurter Anthologie. / Für die Interpreten zu kurz./ Sogar verständlich sind sie“), Hans Bender ist in jedem Falle zu wünschen, der eine Wunsch, den er an das Leben noch hat, möge sich ihm erfüllen. Bislang schaut es ganz unbedingt aus, als wäre dem so:

Der eine Wunsch

Drei Wünsche wie im Märchen –
ich will mit einem mich zufrieden geben:
Die Tage, die mir bleiben,
bei klarem Verstand zu Ende leben.

Schön sind selbstverständlich auch die ausgewählten Gedichte Benders in O Abendstunde, wunderschön aufgemacht, wie man es von dem Kleinverleger Ulrich Keicher kennt, fadengeheftet und broschiert, mit einem Nachwort versehen von Arnold Stadler, der 2004/2005 Stipendiat der Bamberger Villa Concordia war. Versammelt sind darin dreieinhalb Dutzend Gedichte, ganz frühe, an der Front geschriebene, und ganz späte: Vierzeiler eben. Ein jedes schenkt dem aufmerksamen Leser einen „Schlüssel zum Paradies“. Vergeblich sind sie nicht.

NB: Hans Bender, Auf meine Art. Gedichte in vier Zeilen. München: Hanser, 2012. 112 Seiten, 12,90 Euro.

Hans Bender, O Abendstunde. Ausgewählte Gedichte. Warmbronn: Ulrich Keicher, 2011. 40 Seiten, 12 Euro.