Wirtschaftlicher Aufschwung 2012 – ein Weihnachtsmärchen

Redaktion

„… Bayern ist von einer Krise weitgehend verschont geblieben. Die Wirtschaft läuft hervorragend, und die Arbeitslosenquote liegt so niedrig wie selten zuvor. Besonders erfreulich ist der Rückgang der Jugendarbeitslosigkeit. Insgesamt sind die Beschäftigungschancen für Jugendliche sehr gut …“

meinte Barbara Stamm (CSU), Präsidentin des Bayerischen Landtags, in ihrer Weihnachtsansprache an das Volk.

Ins gleiche Horn blies Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in ihrer Neujahrsansprache

„… Sie und viele mehr (Gewerkschafter und Unternehmer) machen unsere Gesellschaft menschlich und erfolgreich. So wurde es möglich, dass wir in diesem Jahr die niedrigste Arbeitslosigkeit und die höchste Beschäftigung seit der Wiedervereinigung hatten …“

Nüchterner beurteilt dies die „Agentur für Arbeit Bamberg Coburg“ in ihrem Arbeitsmarktreport Dezember 2012. Darin wird zumindest für unsere Region (Bamberg – Coburg) ein nicht so euphorisches Bild gezeichnet:

Konjunkturelle Impulse fehlen 

Im Vergleich zum Dezember 2011 ist eine deutliche Eintrübung des Arbeitsmarktes zu erkennen. Im Vergleich zum Vorjahresmonat ist die Zahl der Arbeitslosen um 1076 oder 9,3 Prozent angestiegen. Dieser Anstieg ist allein auf die Entwicklung im Rechtskreis SGB III (Arbeitslosengeldempfänger) zurückzuführen. Hier war eine Erhöhung um 19,4 Prozent festzustellen, während im Bereich der Jobcenter (Hartz IV) die Zahl der Arbeitslosen gegenüber dem Vorjahresmonat sogar um 0,6 Prozent zurückging.

Der SGB II (Hartz IV) Bereich bleibt stabil

Bei den Jobcentern erhöhte sich zwar gegenüber dem Vormonat die Arbeitslosigkeit um 215, gegenüber dem Vorjahresmonat verringerte sich aber die Zahl der Arbeitslosen um 33. Der Vorjahresvergleich zeigt allerdings, dass die Entwicklung bei den sieben Jobcentern nicht einheitlich verlief. Während sich im Jobcenter Lichtenfels die Zahl der Arbeitslosen um 8,7 Prozent reduziert, nahm sie im Jobcenter Forchheim um 3,6 Prozent zu. Ende Dezember waren bei den Jobcentern des Agenturbezirkes 5773 Personen arbeitslos gemeldet, dies sind 45,8 Prozent der gemeldeten Arbeitslosen.

Stellenmarkt 

Im Agenturbezirk Bamberg-Coburg sind in diesem Monat sowohl der Zugang wie auch der Bestand an gemeldeten Arbeitsstellen rückläufig. Gegenüber dem Vorjahresmonat reduzierte sich der Bestand an Arbeitsstellen um 12,5 Prozent auf 2712. Die Zahl der monatlichen gemeldeten Beschäftigungsmöglichkeiten sank gegenüber Dezember 2011 um 24,8 Prozent auf 894.

Bamberg Stadt

Im Stadtgebiet Bamberg erhöhte sich die Zahl der Arbeitslosen um 65 auf 1890. Das waren 218 mehr als im Jahr davor. Die Arbeitslosenquote stieg daher gegenüber dem Vorjahr um 0,5 Prozentpunkte auf 5,1 Prozent.

Im Oktober meldeten die Arbeitgeber aus dem Stadtgebiet 214 Stellen, 27 mehr als im Vormonat, jedoch 75 (oder 26 Prozent) weniger als im Vorjahresmonat. Fachkräfte mit einer technischen Ausbildung werden auch in diesem Monat deutlich nachgefragt. Diese Fachkräfte werden auch von Personaldienstleistern (Leiharbeitsfirmen) gesucht. Die Nachfrage im Helferbereich ist momentan sehr gering.

Landkreis Bamberg

Im Landkreis Bamberg erhöhte sich die Zahl der Arbeitslosen um 215 auf 2461. Das waren 275 mehr als im Dezember 2011. Die Arbeitslosenquote stieg um 0,3 Prozentpunkte auf 2,9 Prozent.

Aus dem Landkreis Bamberg gingen im Monat Oktober 144 Stellenangebote ein. Dies waren 5 mehr als im Vormonat und 15 weniger als vor einem Jahr. Neben der Nachfrage nach gewerblichen technischen Fachkräften gibt es auch Stellen für Erzieherinnen, Zahnmedizinische Fachassistentinnen und Medizinischen Fachangestellten. Die gemeldeten Stellen im kaufmännischen Bereich haben häufig ein anspruchsvolles Profil (spezielle Kenntnisse in der Buchhaltung, IT-Kompetenz und/oder Fremdsprachenkenntnisse).

Während sich die Bundeskanzlerin auf die Zeit nach der Wiedervereinigung bezieht relativiert sich die allgemeine Freude etwas, wenn wir die Zahlen nach dem 2. Weltkrieg betrachten. 1950 zählte man in der Bundesrepublik (West) 1.868.505 Arbeitslose, das ergab eine Arbeitslosenquote von 11 %. Fortan sanken die Arbeitslosenzahlen bis zu einem Spitzenwert von 0,7 % im Jahre 1962, das waren genau 154.523 Arbeitslose. 1965, 1966 und 1970 wurden nochmals je eine Arbeitslosenquote von 0,7 % erreicht. Ab 1974 gings dann steil bergauf, stieg doch die Quote von 1,2 % (1973) auf 2,6 %, die absoluten Zahlen verdoppelten sich von 273.498 (1973) auf 582.481. 1975 verdoppelten sich die Zahlen erneut von 582.481 auf 1.074.217, überstiegen erstmals wieder seit 1955 die Millionengrenze und erreichten eine Quote von 4,7 %. Um diese Zeit (1973) begann der „Kampf gegen die Arbeitslosigkeit“. Jede nur erdenkliche politische Maßnahme wurde als nötig im „Kampf gegen die Arbeitslosigkeit“ beschrieben und begründet. Gleichzeitig kennen die Arbeitslosenzahlen und die Quote nur eine Richtung – nach oben. 2005 wurde ein Spitzenwert von 4.860.909 Arbeitslosen mit der Quote von 13 % erreicht.

Wir können 2013 also ein 40jähriges Jubiläum „Kampf gegen die Arbeitslosigkeit“ oder „Schaffung von Arbeitsplätzen“ feiern, mit der Aussicht, dass wir uns wohl auch auf das nächste Jubiläum einstellen können.

Ein Gedanke zu „Wirtschaftlicher Aufschwung 2012 – ein Weihnachtsmärchen

  1. Es ist also wie immer, Wahlkampf: die Wirtschaft läuft hervorragend, Rückgang der Jugendarbeitslosigkeit und sogar sehr gute Beschäftigungschancen für Jugendliche?
    Selbst das früher ehrbare soziale Gewissen der CSU, Barbara Stamm, lässt sich zu diesen Thesen hinreißen.

    Wer spricht dabei schon von Mindestlöhnen, von prekären Beschäftigungsverhältnissen Jugendlicher, von Praktikanten, die auf eigenes Risiko arbeiten müssen, die keine Familien gründen wollen, warum eigentlich, Frau Stamm? Darauf basieren doch diese sog. guten Zahlen.
    Dieses hier ist natürlich Schwarzmalerei, von den Ewiggestrigen, Dauernörglern oder DDR-Nostalgikern. Nein Frau Stamm, mitnichten.

    Nein, es ist für eine demokratische, sprich sozial-? wirtschaftliche Gesellschaft skandalös, wie auf dem Rücken der Arbeitslosen die Wirklichkeit unverantwortlich schön geredet wird.
    Und es ist skandalös, dass es diese demokratische Gesellschaft immer noch nicht geschafft hat, die Geissel der Arbeitslosigkeit, der Präkariate sowie der Mindestlöhner endlich zu überwinden. Auch: endlich sozialschwache Schichten so auszubilden, dass sie diese Gesellschaft unterstützen können und wollen. In Wirklichkeit will diese Gesellschaft sie offenbar nicht.
    Jeder einzelne Arbeitslose und Hartz IV Empfänger muss in dieser Gesellschaft einer zuviel sein, Frau Stamm. Es sind Menschen- und Familienschicksale, die daran hängen, es geht um ihr Leben! Und es kann sofort den nächsten treffen, ungeahnt, plötzlich.
    Wo waren Sie genau in dem Moment?, Frau Stamm? Sie lobten die hervorragend laufende Wirtschaft!

    Und wo ist überhaupt der Zins geblieben? Er ist sehr günstig für Investoren und so.
    Wo ist dann aber der Sparzins ? Alles für die Banken und ihren Kapitalzins, was bleibt? Der Lauf der Zeit? Frau Stamm? Exakt.

    Die Kirchen beten, sie lindern höchstens, doktern am Symptom, glauben müsste man können. Und die Gewerkschaften? Sie mahnen, reden und schweigen sogar auch, ob des Tariffriedens willen und der unterbezahlten Arbeitsplätze. Wo ist überhaupt die neue Partei der Mitte, die Grünen? Die SPD hat schon längst ihre Traditionen verraten, sie ist jetzt auch Partei der Mitte, darum geht’s.

    Aber wir haben ja unsere Freiheit, auch die Freiheit der Freien Demokraten, die es ja herzallerliebst gut mit uns meint, mit uns allen und denen die hier schreiben (dürfen). Nur nicht mit den Betroffenen.

    Auch tut der SPIEGEL leider diese solche Mahnungen ins Reich der Alltäglichkeit ab. Nein, Herr SPIEGEL; man kann sie gar nicht oft genug wiederholen.

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