Quartier an der Stadtmauer: Totgeburt oder Quadratur des Kreises? Gibt es Auswege aus dem absoluten Planungsdilemma?

Kommentar: Wolfgang Neustadt

Gleich vorweg: Der gemeinsame Infoabend mehrerer lokaler Kulturvereine (hier) am 4.10. zu einer endlich auch von Bamberger Bürgern mitgetragenen Planung des Quartiers an der Stadtmauer war ein gutes, sehr löbliches, weil längst überfälliges Unterfangen.

Vorgestellt wurden zu Beginn zwei sehr treffende Beispiele zum modernen, endlich würdigen Umgang mit  archäologisch ergrabenen Synagogen in Erfurt (Eißing) und Regensburg (Hubel). Es folgten zwei alternative Planungsvorschläge des Bamberger Quartiers mehr oder weniger aus der Bamberger Öffentlichkeit. Eben gegen die bereits gelaufene Multidevelopment-Projektierung mit angeblich entschiedenem Architektenwettbewerb von seiten der Stadt Bamberg und gegen die eindimensionalen Interessen der Sparkasse Bamberg.

Man wollte sich von Veranstalterseite (leider) ausdrücklich nicht in die städtischen Belange einmischen (so einleitend Dr. Händler/Schutzgemeinschaft Alt Bamberg), was aber dann mit diesem Abend zum Glück unweigerlich doch passiert war. Das war gut so!

Wirklich zuständige Prominenz hatte sich mal wieder offenbar wohlweislich wie Teufel vor Weihwasser ferngehalten (es fehlte der Tiefbauingenieur Ilk, der obere und untere Denkmalschutz, der Stadtarchäologe; anwesend waren kommunalpolitisch u.a. die grüne Ecke mit Frau Sowa, Herrn Gack, dann Herr Weinsheimer von den Freien Wählern sowie Herr Dr. Müller von der CSU. Von städtischer Seite war Herr Lang als Chef des Stadtplanungsamtes anwesend und die Leiterin des Zentrums Weltkulturerbe Frau Dr. Laible).

Der von Eißing und Hubel dargestellte Umgang mit den zwei nur noch archäologisch vorhandenen Synagogen war für Bamberg ausgesprochen wegweisend. Beide Beispiele zeigten eindrucksvoll, wie heutzutage mit jüdischer Geschichte und Kultur endlich auch in Bamberg würdig und modern umgegangen werden kann und muss.

Frau Eißing erwähnte, gar zu beiläufig, dass ja doch das hier an das Quartier angrenzende Viertel der Theatergassen und Generalsgasse später ein weiteres jüdisches Zentrum bildeten. Da war doch schon mal was? Wurde nicht schon dort jüdische Geschichte massiv unter den Teppich gekehrt, wider besseres Wissen archäologisch nicht gegraben, kommerziell interessiert modern überbaut, geschweige dann auch vergleichbar beispielhaft wirtschaftlich in den Sand gesetzt?

Quartier Modell © Rastawicki

Quartier Modell © Rastawicki

Die nachfolgenden zwei alternativen Planungsbeiträge gingen jeweils strikt von der zu erhaltenden Bausubstanz aus. Bei beiden stehen unabhängig voneinander die jüdisch-kulturgeschichtliche Planung mit Museum, koscherem Restaurant, Weinkeller, Café etc., ferner auch die Nutzung durch Künstlerappartements und -Ateliers etc. etc. bei weitem im Mittelpunkt. Kultur (zu) allenthalben. Beide Projekte bleiben damit aber leider hinter den äußerst vielschichtigen, durchaus auch kommerziellen Planungsanforderungen deutlich zurück. Mit ganz überwiegend hedonistischer Nutzung bekommt man das hier anstehende Problem bei weitem nicht mehr in den Griff, die Zeiten sind vorbei. Schon allein die Schaffung weiterer „gemütlicher“ Plätze etc. mit abermaliger Ausweitung des in Bamberg bereits inflationären Gastroangebots mobilisiert nur nur noch weitere Betreiber und Touris, Bamberg wellnessmäßig umzukrempeln. Wohlgemerkt: Es fehlt in Bamberg in der Tat an jüdischer Erinnerungskultur, dieser Ansatz hier an dieser Stelle ist gut und daran muss festgehalten werden.

Zweifellos kommt die/eine Gesamtlösung des Quartiers der Quadratur des Kreises nahe, um endlich aus der umfassend planerischen Totgeburt von Stadt, Investor und Sparkasse herauszukommen. Positive Ansätze dazu finden sich ja durchaus in diesen beiden Entwürfen, sie sind aber letztendlich blauäugig und greifen zu kurz: hic et nunc utopisch. 

Es darf dabei doch nur und noch mal kurz an das städtisch getragene, heuchlerische „Konzept“ erinnert werden, insbesondere den Altbaubestand der Rückbauten abzureißen, aus statischen Gründen, weil ausschließlich nur für eine Shopping-Mall geplant wurde! Natürlich hat die städtische Rumeierei System. Nur das wird nicht mehr gelingen, das ist sicher.

Was fehlt, ist eine möglichst viele befriedigende Lösung (sic), nicht wenig, aber einem Welterbe angemessen und würdig. Das lässt sich nunmal mit Null-Acht-Fünfzehn Kommerz-Vorschlägen nicht erreichen. Arbeiten und Wohnen, Freizeit und, auch, Shoppen, der gelungene Mix machts – nur das wäre dem Bamberger Weltkulturerbe würdig. Um nicht erneut in die Falle der Theatergasen zu stolpern.

Und noch eins: je später der Abend, desto eher die Betthupferl. So plauderte Frau Dr. Dengler-Schreiber, auch eher beiläufig, aber unüberhörbar, aus dem Nähkästchen des Landesdenkmalrats, der sich bereits mehrfach mit Quartierfragen beschäftigt hatte (hier).

Demnach sprach sich schon mal das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege kategorisch gegen „weitere“ archäologische Grabungen hier im Quartier aus! Wie das? Wusste man in den entsprechenden heiligen Hallen offenbar rein nichts von den Grabungen in Regensburg (Bayern!) und Erfurt, die doch erst zu diesen heute viel gerühmten, gar prämierten (Erfurt) architektonischen Einbindungen des jüdisch-archäologischen Bestands geführt hatten?

Der gesamte Umgriff der zwei historischen Bamberger Stadtmauerverläufe ist mit Ausnahme der Mikwe archäologisch gänzlich unbekannt. Wie erklärt sich die (solitäre?) Lage der Mikwe hier? Wo ist die Synagoge? Es bliebe nur eine schlüssige Erklärung: man wollte  im Landesamt offenbar davon gar nichts wissen? Sehr bezeichnend. Nur zur bescheidenen Kenntnisnahme durch den werten Bamberger Leser: Jegliche! unkontrollierte Be-, auch Überbauung des Quartiers würde unweigerlich zu Zerstörungen archäologischen Bestands und somit Wissens führen. Es kann (noch) nicht unterstellt werden, dass sich das BLfD daran schuldhaft beteiligen will? Nach der Devise: Kopf in den Bausand, nicht in die jüdische Kulturgeschichte Bambergs!

Frau Dr. Dengler-Schreiber war aber noch nicht ganz fertig. Auch wieder eher leiser, aber genauso unüberhörbar, plauderte sie weiter: Herr Ilk hätte bei einer Vorstellung des Architektenwettbewerbs im Landesdenkmalrat zur Entwurfsqualität eingeräumt, dass es sich bei dem Wettbewerbssieger offenbar um den noch knapp besten unter nur noch weit schlechteren Vorschlägen gehandelt habe. Woran lag’s? Das Kind (Quartier) war ja doch zum einen schon gleich politisch im Bausenat mit Wettbewerbsauslobung 2011 mit dem Bade ausgeschüttet worden. Mehrfach klang an diesem Abend unter weitem Beifall an, dass doch ein Ideenwettbewerb hätte vorgeschaltet gewesen sein müssen, um die in der Tat armen Architekten nicht ganz im Regen stehen zu lassen. Es darf hier, immer nur bescheiden, gefragt werden, wo denn eigentlich die Sachkompetenz der städtischen Bau- und Denkmalplanung und des Bausenats liegt? Gibt es in Bamberg mittlerweile etwa nicht auch genügend Architekten, die nachweislich erfolgreich auch mit derartig komplexen Bauaufgaben im Welterbe fertig werden können? Keine Spur davon, diese zumindest auch nur städtisch beratend einzubinden.

Und die Unteren Mühlen frohlocken weiter still vor sich hin. Aber nicht mehr ohne Bambergs bau- und denkmalinteressierten Bürger.

Ach so, da war doch noch etwas: das politische Interesse, einen bedeutenden Steuerzahler bei der Stange zu halten. Alle zittern, der Stadtrat nicht weniger, von den anliegenden Gewerbetreibenden auch nicht zu schweigen.

Nur eins ist sicher, kommunalpolitisch alles mit Blick auf das gemein-städtische Wohl. Oder wie oder was?

Lesen Sie zu diesem Thema auch unseren Artikel: Quartier an der Stadtmauer: Die Bürger fordern Bewahrung der Denkmäler

2 Gedanken zu „Quartier an der Stadtmauer: Totgeburt oder Quadratur des Kreises? Gibt es Auswege aus dem absoluten Planungsdilemma?

  1. Praktisch umsetzbar wäre jede der zwei Projektideen (Rastawicki + Barth) zweifellos. Nochmal: nur sind sie nicht realistisch und überzeugend, weil kulturlastig. Dass dort aus der Brache etwas gemacht werden muss, ist klar, aber so allein wird’s (leider) nichts. Mit Ausnahme des wirklich dringlichen jüdisch-historischen Ansatzes für Bamberg (incl. koscherem Restaurant und Museum) besteht kulturell etc kein weiterer Bedarf. Noch mehr Ateliers? und (ehrenamtlich oder gar steuerermäßigend arbeitende!) Künstler?, noch mehr Kulturnutzung?, noch mehr wellness?, auch UNESCO Disneyland? Wenn uns sonst nichts mehr einfällt, dann nutzen wir halt „kulturell“? (frei nach dem Motto: wenn ich nicht mehr weiter weiß…) Auch weil’s bis vor kurzem die Förderpolitik noch so erzwang und möglich machte. Da gibt’s mittlerweile deutlich andere Prioritäten, wenn wir schon meinen wollen, es gäb überhaupt noch Fördergelder, und das nicht ohne erzwungenen kommunalen Eigenanteil. Hier brauchts kraftvollere Ideen. Und bitte jetzt nicht noch mal das mittelalterliche Scheinargument: Geld gibt’s für alles, man muss es nur wollen und durchsetzen! Ultima ratio: Herr Gottschall selbst macht sich mal wirklich lang!

    „…historische Gebäude schon sehr lange dem Verfall preisgegeben …“?: es wurde von Stadt-/ Investorenseite gar nicht auf den wahren Erhaltungszustand untersucht. Und wenn, dann nur interessebedingt. Die berühmte Bausenatssitzung 2011 machte doch sonnenklar, dass eben nur aus purem Investoreninteresse auf eine Kommerznutzung à la Shopping Mall und eben nicht auf eine Wohn- und/oder Gastronomienutzung statisch untersucht wurde. Deswegen eben sollte doch schon alles fallen! Auch hier machten sich Stadt bzw. städt. Bauamt klar zum Büttel der eindimensionalen Kommerzinteressen. Übrigens: die zwei wirklich wertvollen Stuckdecken (18. Jh.) des rückwärtigen Mittelbaus incl. jüdischem Restaurant sind zu 90% intakt!

    Und noch zum Landesamt: wer will hier Häuser aus dem 16. abreißen? Hier soll natürlich nur in Bereichen gegraben werden dürfen!!, die unbebaut bzw. abgerissen werden sollen/müssen.

  2. Im Grunde besteht noch nicht einmal eine Notwendigkeit, den Sparkassenbau aus dem Jahr 1970 (vollständig) abzureißen, denn dieser ist in gutem Zustand. Die Ideen der Architektin Rastawicki bezüglich des Bereichs Hellerstraße und Kesslerstraße wären trotzdem umsetzbar, die Ideen von Barth et al. sowieso.
    Problematisch ist nur die Wiederherstellung / Sanierung der alten Gebäude Hellerstraße und Hinterhaus, weil diese schon sehr lange dem Verfall preisgegeben sind. Da müssten öffentliche Gelder wie in Erfurt oder Regensburg mobilisiert werden. Tiefe Ausschachtungen (Tiefgaragen) sollten mit Rücksicht auf die historischen Nachbargebäude (die bereits beim Bau der Sparkasse sehr gelitten haben) unterbleiben!
    Zum Landesdenkmalamt ist zu ergänzen, dass die Ablehung weitere Forschungen daher rührte, dass dafür denkmalwürdige Häuser aus dem 16. Jahrhundert abgerissen werden sollten, um unter ihnen nach noch älteren Spuren zu suchen. Dagegen hatten die Denkmalschützer etwas, das ist wohl verständlich.

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