Die Bahn: Wie die Taliban mit dem Harvester durchs Weltkulturerbe

Redaktion

Die Planungen zum 4-gleisigen Bahnausbau wecken Erinnerungen: Wie die Taliban fräst sich die Deutsche Bundesbahn durchs Weltkulturerbe. Unlängst erschütterten erneut die Nachrichten über die Zerstörungswut an höchst bedeutenden Schätzen der Menschheit. Die Grabstätten aus Lehm in Timbuktu wurden zwischen dem 11. und 12. Jahrhundert gebaut, Extremisten zerstörten sie jüngst binnen kürzester Zeit (ZEIT online und tagesschau). In 2001 fielen die berühmten Buddha-Statuen von Bamiyan der Zerstörungswut der Taliban zum Opfer.

Während in Malí und in Afghanistan kriegerische Aggressionen Auslöser der bewussten Zerstörung sind, wird in Deutschland der technische Vorsprung mit der Schnelligkeit als Ziel für diese rigorose Umwälzung mit den noch kaum absehbaren Folgen für eine ganze Stadt begründet (hier Filmtipp von focus online). Die Vertreter der Deutschen Bahn wissen zwar bis heute noch nicht, wieviele Züge durch Bamberg fahren sollen. Aber sie wissen, wie schnell diese fahren: mit 230 km/h vierspurig mittendurch. Nur durch den Bahnhof solls etwas langsamer gehen. Nur noch 160 km/h. Pro Tag mindestens 250 Güterzüge und etwas über 100 Personenzüge. Wird auch zukünftig der ICE in Bamberg halten? Hierauf hätten die Bamberger gerne eine Antwort, doch der Bahn-Planer antwortete:

„Hierfür sind wir nicht der richtige Ansprechpartner.“

Die Züge müssen so schnell fahren, weil es eben so geplant ist. Höhere Gewalt eben. (Autos fahren innerorts 50 km/h.) Weil die Züge dann so schnell fahren, wahrscheinlich um eine Minute früher irgendwo zu sein, wird’s leider etwas lauter werden. Und dann müssen Lärmschutzmaßnahmen gebaut werden. In der Sicherheit, dass die Kausalkette eins nach dem anderen fordert, kann man Notwendigkeiten planen und begründen.

Wenn man die Mauern nett gestaltet, wird’s nur halb so schlimm

Wenn man die Mauern nett gestaltet, dann, so der Ingenieur, denkt man sich gleich einen Meter weg und alles wäre nur halb so schlimm. Außerdem könnte man noch passive Schallschutzmaßnahmen ergreifen, d.h. Schallschutzfenster einbauen. So hört man wenigstens das Bellen des eingesperrten Hundes oder das Geschrei der Kinder nicht mehr beim gemütlichen Feierabendausklang mit einem Bierchen.

Andere Lärmschutzmaßnahmen gibt’s zwar, aber die sind noch nicht erlaubt. Außerdem kann es noch bis zu 20 Jahre dauern, bis an allen Güterwägen leisere Kunststoffbremsen eingebaut sind.

Zu allem Überfluss hat die Stadt noch den Ehrgeiz neben den vier Gleisen eine Innenstadttangente zu bauen, inklusive Los Angeles-Flair.

„Hier verlangen wir die Vergrößerung der Memmelsdorfer Straße“

Interessant wären vergleichbare realisierte Maßnahmen in einer anderen Stadt zu untersuchen, um jetzt schon mal nachvollziehen zu können, was uns erwartet. Oder ist Bamberg ein Pilotversuch, um festzustellen, wieweit man gehen kann mit der Zerstörung der Städte? Die Bahn hat sich eine Welterbestadt in der Provinz ausgesucht und lotet aus, ob der Protest massiv genug ausfällt. Wenn die Bahn gewinnt, kann man das ganze Land plattwälzen. Rücksichtslos gehen Planer vor, kurzerhand werden in Teilbereichen das Gleisbett um bis zu zwei Meter angehoben: Die rein planerische Sichtweise übersieht, dass nun Züge nicht mehr ebenerdig fahren, sondern um ein Stockwerk nach oben wachsen. Das Wohnen in den anliegenden Straßenzügen bleibt außen vor.

Die Rigorosität und die Ignoranz, mit der die Bahnplaner Heimat und Umwelt durchpflügt, ist zutiefst erschreckend.

Das Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“, nach der die Berliner Mauer von deutschen Bürgern abgetragen wurde, versucht im oberfränkischen Bamberg einen Mauerbau, der den sozialistischen Vorläufer ums Doppelte toppt.

Da erscheint Herr Lang, Chef des Stadtplanungsamtes, wie ein Retter:
„Es gibt auch andere Anforderungen als die der Bahn“

10 Gedanken zu „Die Bahn: Wie die Taliban mit dem Harvester durchs Weltkulturerbe

  1. Der Vergleich mit der Zerstörungswut der Islamisten steht für sich selbst und für die Seriosität der „Berichterstattung“ auf dieser Online“zeitung“.

    Die Autorin oder den Autor bitte ich zu erläutern, welcher Teil des Weltkulturerbes betroffen ist!

    • Sehr geehrter Herr Müller,
      wir haben mehrfach über den 4-gleisigen Bahnausbau berichtet, mehrfach darauf hingewiesen, dass bei diesen Planungen die Aberkennung des Titels „Weltkulturerbe“ droht, was u.a. vom Zentrum Welterbe befürchtet wird. Wir empfehlen zur Information und zum Nachlesen folgende Artikel:
      Fernsehtipp: Bamberger Mauer
      Pläne der Bahn zum Lärmschutz nicht tragbar
      Aktiver Lärmschutz.
      Von besonderem Interesse für Sie dürfte der Artikel zu den Sichtachsen sein:
      Verschläft die Stadtspitze den Bahnausbau?
      und 
      Bahnlärm macht Welterbe kaputt
      Auch die UNESCO war bereits deswegen in Bamberg, siehe „I will do everything, that the world heritage will be preserved“.
      Und zum Schluß eine Meldung über die Auszeichnung „Welterbe des Monats: Urbaner Gartenbau in Bamberg“
      Das dürfte ausreichend Lesestoff sein. Grundsätzlich gilt zu bedenken, dass Dresden aufgrund des Verkehrsprojektes „Waldschlösschenbrücke“ den Titel Weltkulturerbe verloren hat und Köln mit den Hochhaus-Planungen auf die rote Liste kam (von der die Stadt wieder gestrichen wurde, nachdem die Planungen zurückgezogen wurden). Beide Male waren erheblich die Sichtachsen gestört – was in Bamberg mit dem Mauerbau auch der Fall ist.
      Mit freundlichen Grüßen
      Erich Weiß

      • Sehr geehrter Herr Weiß,

        vielen Dank für die prompte und ausführliche Antwort. Allein meine Frage beantworten die vielen Verweise nicht.

        Der VCD nennt eine Sichtachse, die aber nicht von Lärmschutzwänden tangiert wird. Der mir ans Herz gelegte Artikel verortet Funkmasten und das Gewerbegebiet im Nordosten. Mich interessieren die Sichtachsen, die die Bahn versperren will. Welche sind das?

        Als Anmerkung: was wäre es im Süden für ein toller Blick auf die Altstadt – wenn man nicht mitten in die Sichtachse die Stechert Arena gebaut hätte.

        Die ernsthafte Diskussion um die bestmögliche Lösung wird von Stimmungsmache zu Nichte gemacht. Es wäre ein Erkenntnisgewinn, wenn konkret benannt werden könnte, hier und hier greifen die Vorstellungen der Bahn das Weltkulturerbe an. Das vermisse ich! (Korrigieren Sie mich, sollte ich mich irren.)

        Wir sind es dem historischen Erbe und der Gestaltung unserer Stadt schuldig, basierend auf Belegen zu entscheiden. Und wir sollten das Recht der Menschen, die täglich unter dem Zuglärm leiden, nicht mit Pseudodebatten ad absurdum führen. Für diese sind es nämlich keine Taliban, die in die Stadt einfallen. Lärm macht krank! Lärmschutz ist für sie Lebensqualität. Und der Lärmschutz kommt mit dem Ausbau der Bahnstrecke!

        Nichts für ungut!
        Kai

        • Sehr geehrter Herr Müller,
          Im Beitrag: Verschläft die Stadtspitze den Bahnausbau? wurde auf die derzeit in Arbeit befindliche Sichtachsenstudie verwiesen, die aufgrund der Pufferzonenregelung der UNESCO dringend erarbeitet werden muss. Während jenes Vortrags, der im Artikel besprochen ist, wurde eine Reihe von Sichtachsen vorgestellt und analysiert, auch solche die durch einen Mauerbau unterbrochen würden. Eine ausführliche Dokumentation ist derzeit in Arbeit. Sobald eine solche vorliegt, werden wir natürlich berichten.
          Mit freundlichen Grüßen
          Erich Weiß

  2. „Da erscheint Herr Lang, Chef des Stadtplanungsamtes, wie ein Retter:
    “Es gibt auch andere Anforderungen als die der Bahn”. “

    Das sah schon Walter Gropius so:
    “ Die Krankheit unserer heutigen Städte und Siedlungen ist das traurige Resultat unseres Versagens, menschliche Grundbedürfnisse über wirtschaftliche und industrielle Forderungen zu stellen“

  3. Lassen wir die Gestalten aus Asien lieber mal draussen…

    Doch der selbstgefällige Planungsstil der Bahn macht auch um Bamberg keinen Bogen! Das Traurige ist nur, dass sich die Stadt noch nicht so gern auf aktive Gegenwehr einstellen mag. So ehrenvoll der Versuch eines Kompromisses ist, doch wir wissen seit gestern, das dies ein fauler Apfel werden wird. Die Bahn hat an diesem Abend mit Spielchen versucht, die Bürger und die Stadt zu verkohlen! Oder hat sie irgend etwas Neues erzählt? Alte Kamellen, neu aufpoliert… Die Zahlenspiele und psychotricks des Ing. nützen niemandem in unserer Stadt! Klar doch – wir machen einen Mauer-Malkurs bei der VHS oder wie?

    Die neue Technik klingt toll – geht aber erst irgendwann und VORHER machen sie dann ganz schnell die Planung zu! Alles schon mal dagewesen, sogar bei dem gleichen Bauprojekt „München-Berlin“ mit den gleichen Leuten – wer einmal lügt…

    Wir sagen dem ganzen Land:
    Die allerletzte Chance ist der Projekt-Beirat! Sagt sie dazu auch NEIN, dann hat sich die Bahn verraten und JEDER Mensch weiß, was sie wirklich vorhat!

  4. Liebe Bamberger Buergerinnen und Buerger, wehrt Euch so intensuv und schnell wir es nur geht. Wer eine ockerfarbene Schneisse mitten durch die Stadt sehen will kann nach Fuerth kommen ( von den Baumassnahmen noch nicht mal zu reden) Schuetzt Eure tolle Stadt!!

  5. Polemik ist ja O.K. angesichts dieser Planungen. Aber trotzdem sollte man sich schon seine Wortwahl gut überlegen. Den Taliban-Vergleich finde ich jedenfalls absolut fehl am Platze.

    • Freilich eine drastische Wortwahl, drastisch ist aber doch definitiv die Planung der DB. Eine Diskussion mit den Ingenieuren über Grauguß- oder Kunststoffbremsklötze mag ja das ein oder andere Dezibel einsparen, aber es wird an der grundsätzlichen Haltung der Bahn nichts ändern. Als Hinweis: Stuttgart 21 wird trotz aller Diskussionen über technische Details gebaut.
      Vielleicht können Sie sich die Auswirkungen der Lärmschutzmauern für das Stadtbild Bambergs einfach nicht vorstellen. Vielleicht können Sie sich auch die gewaltigen Abbruch- und Neubaumaßnahmen nicht wirklich vorstellen?

      • Wenn mit dem „Sie“ ich gemeint sein sollte: Ich kann mir das alles (leider) sehr gut vorstellen….
        Meine Kritik am Taliban-Vergleich sollte also nicht so interpretiert werden, dass ich die Bahn-Planungen verteidigen würde. Wer mich kennt (und ich schreibe hier ja im Gegensatz zu den meisten anderen unter meinem tatsächlichen Namen!), weiß, dass ich diese Planungen schon seit 20 Jahren sehr kritisch begleite.
        Dennoch: Der Taliban-Vergleich ist unangemessen. Und: Die härteste Kritik an den Planungen der DB ist die SACHLICHE Kritik.

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